Wissenschaft und Forschung im Fernsehen: Quark mit Quarks
Seriöse Wissenschaft hat es schwer im Fernsehen. Auf den Tutzinger Medientagen wurde über die Gründe diskutiert.
Es ist so eine Krux mit dem Wissenschaftsjournalismus, mit Wissen und Bildung schlechthin, vor allem im Fernsehen. Da werden Eier gekocht bis es knallt, und getestet, ob Plastikflaschen mit Limonade einen 80-Meter-Sturz aushalten. (Tun sie nicht, sie reißen und spritzen gewaltig, was die ZuschauerInnen freut). Aber ist das Wissenschaft?
Natürlich nicht, jedenfalls nicht, wenn man Eberhard Sinner heißt. "Das Fernsehen ist die einzige Chance für wissenschaftsgetriebene, transparente und lobbyfeste Politik", sprach Bayerns Exmedienstaatsminister und Staatskanzleichef, den der neue Ober-Bayer Horst Seehofer aus der Machtzentrale in den Landtag entsorgt hat, wo sich Sinner seitdem als medienpolitischer Sprecher der CSU langweilt. Lobbyfeste Politik kann man ja derzeit vor allem beim ZDF besichtigen, wo die Union zum Kesseltreiben auf den Chefredakteur Nikolaus Brender geblasen hat. Ob derlei Machenschaften allerdings wissenschaftsgetrieben sind, muss schon um der Wissenschaft Willen schwer bezweifelt werden. Und Transparenz war bei solchen Mauscheleien schon immer ein Fremdwort.
Sinner dagegen beschwor bei den diesjährigen Medientagen an der Evangelischen Akademie Tutzing zum Thema "Vom Telekolleg zum Pisatest - Wissen und Bildung im Fernsehen" die guten alten Zeiten, in denen ein Horst Stern noch ein Millionenpublikum vor die Bildschirme holte. Heute hat das ZDF seinen Harald Lesch und 3sat seinen Gert Scobel. Nische, natürlich. Aber höchst erfolgreich und alles andere als unterkomplex. Und natürlich mag man sich wie Sinner einen deutschen Al Gore mit einer "unbequemen Wahrheit" wünschen. Doch wie die Politik reagierte, wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur Primetime niedliche Knuts verenden, würde man gerne mal sehen. Und dann ist da noch eine andere Krux mit Wissen und Bildung: Denn Wissenschaft wird - anders als Politik oder Wirtschaft - eben eher selten hart journalistisch mit gesunder Distanz und Skepsis angegangen.
Dass dies in Tutzing der Print-Mann Patrick Illinger, Wissenschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung, aufs Tapet der TV-Gewaltigen brachte, spricht für sich. Und was die Ehrfurcht vor den diversen - manchmal eher windigen - Herren Professoren anrichtet, brachte Illinger zum Unwohlsein des ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust wunderbar auf den Punkt: Denn Scobel & Co. könnten in der Nische Qualität liefern, wie sie wollten, so Illinger: "Solange man jeden Morgen im Frühstücksfernsehen einen Hademar Bankhofer" oder ähnliche Strategen "den letzten Quark erzählen lässt", bleibt es eben so eine Sache mit Wissenschaft und Bildung. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen.
Leser*innenkommentare
Karl
Gast
Es ist nicht erforderlich Naturwissenschaft in die veröffentlichte Meinung einzubinden. Da mehrheitlich nicht bekannt ist was naturwissenschaftliche Arbeit ausmacht kann letztere auch nicht bewertet werden. Warum sonst taucht in disem Zusammenhang "Al Gore" auf, als schlechtes Beispiel?
Und woher sollen Distanz und Skepsis kommen, wenn schon die Arbeitsmethodik nicht verstanden wird. Nur abstract lesen und "Studien" wiedergeben reicht nicht!
Außerdem stört auch im ÖRR jede Faktenpräsentation die gefühlte Wirklichkeit und weckt den Verdacht das simple Kausalitäten möglicherweise sehr selten sowie schwer beweisbar sein mögen.
Wer mag wissen wollen vieviel Bromessigsäure in seinem Bier ist?
Glück auf!
Karl