: Eine Kunstschau in XXL nur für die Ohren
ZEIGEN Die Temporäre Kunsthalle präsentiert in der Gruppenschau „Zeigen. Eine Audiotour durch Berlin“ Klang- arbeiten von über 500 Berliner Künstlern. Ein nicht unumstrit- tener Rekord
Die Temporäre Kunsthalle klotzt. Die neue Ausstellung „Zeigen. Eine Audiotour durch Berlin von Karin Sander“ ist die weltweit größte Gruppenausstellung Berliner Künstler. Das verkündete stolz Angela Rosenberg, die kuratorische Managerin des Kunstkubus auf dem Schlossplatz. Über 500 in Berlin arbeitende Künstler haben auf Anfrage der Konzeptkünstlerin Karin Sander ein- bis zweiminütige Audiobeiträge zur Verfügung gestellt, die einen detaillierten Überblick über das hiesige Kunstschaffen bieten. „Ungefähr 10 Prozent aller Künstler der Stadt sind in dieser Ausstellung vertreten“, sagte Rosenberg.
Doch nicht nur diejenigen, die in Quantitäten denken und Häppchen schätzen, dürfen bei dieser Mammutschau mit der Zunge schnalzen. Auch Liebhaber eher minimalistischer Genüsse kommen auf ihre Kosten. Betritt man den großen Saal, so ist man von dessen Leere überwältigt. Keine Objekte verstellen den Blick. Die Wände sind nackt. Der Raum ist ein idealer weißer Kubus. Einzig ein auf Augenhöhe angebrachtes regelmäßig unterbrochenes schwarzes Band aus Buchstaben und Zahlen sorgt für Ablenkung. Hier sind in alphabetischer Reihenfolge die Namen der beteiligten Künstler angebracht und mit einer fortlaufenden Nummer versehen. Gibt man auf dem am Eingang überreichten Audioguide die entsprechende Zahlenkombination ein, so erklingt das Hörwerk des ausgewählten Künstlers. Die banaleren Werke geben Auskunft über die Arbeiten, an denen die Künstler gerade sitzen.
Andere, die ganz auf Klang setzen, schärfen die Sinne. Pash Buzari etwa zerbricht laut knirschende Materialien vor dem Mikrofon, Maike Sander zerreißt Papier, und Timm Ulrichs führt geräuschvoll Klebeband am Tonabnehmer vorbei. Für kurzzeitige Betäubung sorgt das hohe C, das David Zink in die Ohrmuschel jagt. Zu einer besonderen Hörsafari lädt Bogomir Ecker ein. Im Dschungel von Kambodscha ist er auf eine Käferart gestoßen, die ein Geräusch erzeugt, das es an Unerträglichkeit mit Zinks hohem C aufnehmen kann.
Die schönsten Fluchten aus dem temporären White Cube in der Mitte Berlins haben Via Lewandowsky und Frauke Eigen geschaffen. Eigen leitet den Hörer über Richtungsanweisungen, die ihn endlich einmal von der weißen Wand hinwegführen, in einen Tempel des alten Edo. Lewandowsky fordert zu Gesichtsyoga auf. Wem in der Ausstellung heftig grimassierende Besucher entgegenkommen, der kann sich sicher sein, dass diese die Nummer 319 eingegeben haben. Insofern entstehen bei dieser Ausstellung, die ganz das individuelle Versenken betont, auch dialogische Momente.
Akustisch und visuell ist diese Gruppenausstellung durchaus reizvoll. Katrin Sander hat ohne jeden Unterschied alles, was rechtzeitig ankam, in die Ausstellung integriert. Mit der alphabetischen Sortierung beraubte sie sich selbst der Möglichkeit, thematische Bezüge zwischen einzelnen Arbeiten herzustellen. Und mancher Künstler befürchtet, die eigene Arbeit könne in der Masse der Arbeiten schlichtweg untergehen. TOM MUSTROPH