Zur ITB: Berlin-Tourismus in der Wirtschaftskrise: "Ich habe keine Angst um Berlin"

Städtereisen liegen im Trend, sagt der Tourismus-Professor Jörg Soller. Deshalb müsse sich Berlin nicht sorgen. Von der Wirtschaftskrise könnten Low-Budget-Hotels gar profitieren. Denn es kommen Urlauber mit kleinem Geldbeutel

taz: Herr Soller, wo macht der Tourist am liebsten Urlaub in Deutschland? In der Stadt oder auf dem Land?

Jörg Soller: Ganz klar in der Stadt! Städtereisen sind im Trend. Das gilt sowohl für ausländische als auch für deutsche Touristen.

Welche Rolle spielt dabei Berlin als Reiseziel?

Was Städtereisen in Deutschland angeht, steht Berlin an erster Stelle. Die Stadt bietet ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Die Hotels kosten im Vergleich zu anderen europäischen Städten weniger, das Ausgehen am Abend ist günstiger.

Inwieweit schlägt sich die Wirtschaftskrise auf den Berliner Städtetourismus nieder?

Da habe ich keine Angst um Berlin. Ich glaube, dass der Tourismus hier weiterhin boomen wird. Aber da kann ich auch nicht in die Glaskugel schauen. Mit Sicherheit werden sich die Proportionen verschieben: Die Urlauber werden eher in günstigeren Hotels übernachten und sich genauer überlegen, wie viel Geld ausgegeben werden soll. Das könnte wiederum einen Boom für Low-Budget-Hotels bedeuten.

Welchen Einfluss hat das 20-jährige Mauerfall-Jubiläum auf den Tourismus?

Das ist natürlich ein Publikumsmagnet. Genau wie die Leichtathletik-Weltmeisterschaft, die in diesem Jahr hier stattfindet. Solche Events ziehen Leute an. Nicht umsonst gibt es die Idee, an der Mauergedenkstätte in der Bernauer Straße ein Hotel zu bauen.

Wie bereitet sich der Hotelmarkt darauf vor?

Bis Ende 2010 ist der Bau von bis zu 50 neuen Hotels vorgesehen. Stark im Kommen sind dabei günstige Jugendhotels und Design-Hotels in der mittleren Preisklasse. Darüber hinaus wird der Camping-Tourismus immer beliebter, das könnte für das Berliner Umland spannend werden.

Immer mehr Deutsche machen Urlaub im eigenen Land. Ist dieser Trend nicht widersprüchlich, wo man doch mit dem Billigflieger durch ganz Europa reisen kann?

Hier muss man zwei verschiedene Trends voneinander unterscheiden. Der Deutschland-Urlaub ist zurzeit sehr beliebt, weil der deutsche Tourist erkannt hat, dass man auch im eigenen Land zum guten Preis-Leistungs-Verhältnis viel erleben kann. Gleichzeitig sind aber auch Billigflugreisen im Trend, wobei die sich immer an den Ölpreisen orientieren: Sinkt der Preis, werden auch die Flugtickets günstiger, und die Nachfrage steigt.

Wie sieht in diesem Zusammenhang ökologisch nachhaltiger Tourismus aus?

Die Frage der Nachhaltigkeit spielt eine entscheidende Rolle und wird auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen. Hierzulande ist man sehr interessiert daran, nachhaltigen Tourismus zu fördern. Das Problem dabei ist aber, dass deutsche Touristen zwar ein Bewusstsein für umweltfreundliches Reisen haben, dann aber doch in den nächsten Billigflieger steigen, obwohl sie ja auch andere Reisemöglichkeiten hätten wahrnehmen können. Wenn das Geld knapp ist, muss man anders rechnen.

INTERVIEW: N. GROSSE-HARMANN

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