Inzest-Fall Fritzl: Das "Kellermonster" vor Gericht

Am Montag startet im österreichischen St. Pölten der Prozess gegen Josef Fritzl. Er hatte seine Tochter 24 Jahre gefangen gehalten und mit ihr sieben Kinder gezeugt.

Trotz des Sensationsfaktors im Fritzl-Prozess erwartet der Richtersenat ein unkompliziertes Verfahren. : dpa

Die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten erlebt dieser Tage eine wahre Belagerung durch die internationale Presse. Der Strafprozess gegen Josef Fritzl hat die 50.000-Einwohner-Stadt in einen Ausnahmezustand versetzt. Das "Kellermonster", das seine Tochter 24 Jahre in einem Bunker unter dem eigenen Garten gefangen hielt und dort sieben Kinder mit ihr zeugte, erregte schon weltweite Aufmerksamkeit, als das Verbrechen im April 2008 aufflog.

Die mehr als 200 Medienvertreter werden enttäuschende Bilder nach Hause schicken. Denn der Schwurgerichtssaal im Landesgericht bietet nicht einmal der Hälfte der Presseleute, die sich akkreditieren wollten, Platz. 95 der 98 Sitze sind für Journalisten reserviert. Doch auch wer einen Platz ergattern konnte, wird nach der Anklageverlesung hinausgeschickt. Erst zur Urteilsverkündung, die für Freitag angesetzt ist, muss die Öffentlichkeit wieder Zutritt haben. Bei Sexualstraftaten ist das die übliche Vorgehensweise.

Trotz des hohen Sensationsfaktors erwartet Andrea Humer, Vorsitzende des dreiköpfigen Richtersenats, ein unkompliziertes Verfahren. Zeugeneinvernahmen wird es nicht geben. Einzige Zeugin ist die Tochter selbst, die seit ihrem zwölften Lebensjahr von ihrem Vater missbraucht wurde. Ihre Aussagen wurden in elf Stunden aufgezeichnet und werden den acht Geschworenen in Etappen vorgespielt.

Am dritten Prozesstag sollen die Experten zu Wort kommen: über die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten sowie elektrotechnische und lüftungstechnische Details des Kellergefängnisses. Fritzl ist laut Aussage seines Anwalts Rudolf Mayer in den meisten Anklagepunkten geständig: Vergewaltigung "in einer Vielzahl von Tatangriffen", Freiheitsentzug, schwere Nötigung und Blutschande sind so eindeutig belegt, dass Leugnen wenig zielführend wäre. Einzig die Anklagepunkte Mord und Sklavenhandel bestreitet Fritzl.

Die Mordanklage bezieht sich auf einen Zwilling, der kurz nach seiner Geburt 1996 starb und dessen Leichnam Fritzl im Heizkessel entsorgt haben soll. Juristen halten den Nachweis, dass das Kind überlebt hätte, wenn ihm ärztliche Behandlung nicht verweigert worden wäre, für schwierig. Das Delikt des Sklavenhandels, wie es §104 des österreichischen Strafgesetzbuches vorsieht, ist noch nie vor Gericht verhandelt worden. Verteidiger Mayer rechnet sich gute Chancen aus, seinen Mandanten in diesem Punkt zu entlasten. Fallen diese beiden Tatbestände weg, droht Josef Fritzl eine Höchststrafe von 15 Jahren. In 9 Jahren könnte er somit bei normal guter Führung wieder auf freien Fuß kommen.

Deswegen beantragt Staatsanwältin Christiane Burkheiser, gestützt auf ein psychiatrisches Gutachten, das dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit bei dauerhafter Gefährlichkeit wegen "absolutistischen Dominanzanspruchs" bescheinigt, dessen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Wer in eine solche eingewiesen wird, kann auch nach Absitzen der Strafe festgehalten werden.

Für Anwalt Rudolf Mayer sind das nebensächliche Details. Sein bald 74-jähriger Mandant rechne nicht damit, das Gefängnis bei Lebzeiten zu verlassen. Und seine Opfer? Die Tochter und ihre Kinder leben mit neuen Identitäten an einem geheim gehaltenen Ort. Jede Kontaktaufnahme mit Medien haben sie verweigert, obwohl für Fotos und Exklusivinterviews Fantasiesummen geboten werden sollen.

Österreichs Boulevardzeitungen üben sich in nobler Enthaltsamkeit, machen aber auch so mit Fritzl Kasse. Das Massenblatt Österreich schießt mit 12 Seiten in der Sonntagausgabe den Vogel ab. Von den Dimensionen des Gerichtssaals über Originalpassagen aus Anklageschrift und psychiatrischem Gutachten bis zu den Erinnerungen eines Münchener Rentners an Thailandurlaube mit Fritzl bleibt den Lesern kein Detail verborgen.

Frustrierten Presseleuten, die mangels aussagekräftiger Bilder aus St. Pölten auf die Idee kommen sollten, in Amstetten den Tatort auszuforschen, wurde ein Strich durch die Rechnung gemacht. Der Bunker in der Ybbsstraße ist versiegelt und mit einer Lichtsperre gesichert.

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