Debatte Atompolitik Iran: Kontrollieren statt sanktionieren

Von der Urananreicherung kann der Iran nicht abgehalten werden, vom Bau der Atombombe schon - durch ernsthaften Dialog und internationale Beobachter.

Barack Obama hat wiederholt erklärt, das seine Administration bereit ist, mit dem Iran zu reden. Allerdings sieht das, was man dem Iran in Bezug auf den Streitpunkt Nuklearprogramm eigentlich sagen will, nicht nach "change" aus.

Bisher hatten die USA wie auch die Staatengemeinschaft verlangt, dass Teheran die Urananreicherung grundsätzlich einstellt. Die meisten im Washingtoner Establishment, auch in dessen demokratischer Fraktion, halten bis heute an diesem Ziel fest und auch an dem dafür bevorzugten Mittel zur Durchsetzung: Sanktionen. Neue ökonomische Druckmittel werden längst diskutiert. Obama selbst hat im Wahlkampf ein Benzin-Embargo gegen den Iran vorgeschlagen. In vorauseilendem Gehorsam überlegen die deutsche wie andere europäische Regierungen neue, allerdings weit moderatere Sanktionen.

Doch wenn Ziel (Null-Anreicherung) und Mittel (Sanktionen) bleiben, wird erneut eine Chance vertan, den Streit über das iranische Atomprogramm zu lösen. Denn die iranische Führung - ob Ultrakonservative, Moderate oder Reformer - ist sich darin einig, dass auf eine Urananreicherung im eigenen Land nicht verzichtet werden kann. Diese Haltung wird laut Meinungsumfragen auch von 84 Prozent der iranischen Bevölkerung geteilt. Längst ist die Urananreicherung zu einem Symbol für nationales Prestige, nationale Unabhängigkeit und ökonomischen Fortschritt geworden. Null-Urananreicherung im Iran - dazu wird man Teheran weder mit Obamas und Clintons Engelszungen noch durch weitere Sanktionen bewegen können.

Ohnehin sind die bestehenden UN-Sanktionen weitgehend symbolischer Natur: Einschneidende ökonomische Sanktionen lehnen China und Russland weiterhin ab. Neue Sanktionen des Westens werden lediglich die ohnehin hohe Inflation im Iran um ein paar Prozentpunkte hochtreiben und den Schwerpunkt der Handelsbeziehungen von Europa auf Indien, Russland und China verlagern. Nur einen Politikwechsel in Teheran werden Sanktionen, mangels kurzfristiger ökonomischer Durchschlagskraft, nicht bewirken. Zudem stärken sie die konservativsten und nationalistischen Kräfte im Iran, weswegen demokratische Oppositionelle wie die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi dieses Druckmittel scharf kritisieren.

Es gilt den Realitäten ist Auge zu sehen: Der Iran beherrscht die Urananreicherung, er baut seine Anlage in Natans kontinuierlich aus. Damit ist er, zumindest bald, auf dem Stand von Japan und Brasilien. Wenn Teheran denn wollte, könnte es waffenfähiges, hochangereichertes Uran herstellen - entgegen manch alarmistischen Meldungen allerdings nicht von heute auf morgen. Selbst der neue Chef der US-Geheimdienste, Dennis Blair, schätzte Mitte Februar in einem Bericht an den US-Senat, dass der Iran erst "zwischen 2010 und 2015" und nach dem Urteil des Nachrichtendienstes des US-Außenministeriums nicht vor 2013 "technisch in der Lage wäre, genug hoch angereichertes Uran für eine Atombombe zu produzieren". Dass der Iran nach Atomwaffen strebt, ist ohnehin eine Behauptung, eindeutige Beweise liegen bisher nicht vor.

Eine Urananreicherung im Iran ist nicht zu verhindern, eine iranische Atombombe schon. Und dazu sind zwei Dinge nötig: Zum einen würde eine Entspannungspolitik gegenüber dem Iran die Bedrohungsperzeption in Teheran ändern und damit die Kräfte im Iran schwächen, die irgendwann Interesse daran haben könnten, zur Bombe zu greifen. Insbesondere müssten die USA von dem Ziel "regime change" und der militärischen Option Abstand nehmen und eine Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in Aussicht stellen. Das hat George W. Bush gegenüber Nordkorea getan, warum sollte Barack Obama nicht dasselbe dem Iran anbieten? Zum Zweiten sollte man sich statt auf Null-Urananreicherung im Iran auf ein neues hinreichendes und realistisches Ziel konzentrieren: die maximale internationale Kontrolle des iranischen Atomprogramms.

Schon jetzt befinden sich die Anlagen unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde. Doch wenn der Iran das "Zusatzprotokoll" der IAEO in Kraft setzte, wären weit schärfere Überprüfungen möglich.

Noch weitreichender wäre die Kontrolle, wenn das iranische Anreicherungsprogramm von einem nationalen in ein multinationales Programm umgewandelt würde. Einen entsprechenden Vorschlag hat Thomas Pickering, ehemaliger stellvertretender US-Außenminister, vorgelegt. Die iranische Urananreicherungsanlage würde damit in den Besitz eines internationalen Konsortiums übergehen, an dem auch westliche Staaten beteiligt sein sollten. Auch das Management und der Arbeitsablauf würden internationalisiert. Teheran hat Derartiges wiederholt selbst vorgeschlagen, so in einer Stellungnahme 2006: "Iran ist bereit, sein Nuklearprogramm im Rahmen eines Konsortiums zusammen mit anderen Ländern zu verwirklichen." Auch Altbundeskanzler Schröder wurde bei seinem Teheran-Besuch im Februar von der iranischen Führung an diesen Vorschlag erinnert. Deshalb: In sofortigen ernsthaften Verhandlungen sollte diese Bereitschaft auf die Probe gestellt werden. Natürlich wäre es auch bei einer Internationalisierung der Anreicherungsanlage im Iran möglich, dass Teheran die internationalen Partner und Kontrolleure irgendwann einmal vor die Tür setzt. Doch ein solcher Rauswurf wäre der eindeutige Beweis für die Absicht des Irans, die Bombe zu besitzen. Und die internationale Gemeinschaft hätte immer noch Zeit zu reagieren. Nicht die Null-Anreicherung ist die Alternative zu einer international kontrollierten Anreicherung im Iran, sondern eine mit weit weniger internationalen Kontrollen und Behinderungen. Gelänge es hingegen, die Urananreicherung im Iran zu internationalisieren, würde es dem Iran wegen der internationalen Aufsicht und der Anwesenheit internationalen Personals viel schwerer fallen, heimlich ein Atomwaffenprogramm voranzutreiben, wenn Teheran das überhaupt wollte. Gleichzeitig würde die internationale Zusammenarbeit auch vertrauensbildend wirken.

Die Unterstützer einer Abkehr vom Ziel der Null-Urananreicherung sind in Washington in der Minderheit. Doch sie gewinnen an Boden. So befürwortete jüngst Richard Haas, Präsident des einflussreichen Think-Tanks "Council on Foreign Relations", Irans "Recht auf Anreicherung" anzuerkennen, "wenn der Iran sowohl Grenzen der Anreicherung (kein hochangereichertes Uran) und erweiterte Kontrollrechte akzeptiert". Die Europäer wären gut beraten, solche Stimmen und damit einen wirklichen Kurswechsel in der Iran-Politik zu unterstützen. Denn Gespräche ohne neue Inhalte und neue Sanktionen werden den Iran nicht davon abhalten, weitere Zentrifugen in Betrieb zu nehmen. Und dann wird auch unter Obama die Kriegsfraktion ("Next stop Teheran") in den USA wieder an Boden gewinnen.

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