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Sehr geehrter Herr Schirrmeister,
ihr Kommentar hebt sich wohltuend von der versuchten Meinungsmache in Bremen ab.
Lilienthal war für niedersächsische Verhältnisse in der Vergangenheit nicht gerade ein Musterknabe bezüglich der Ausgabenseite im Haushalt. Musste es auch nicht sein, da es von der Lage in der Bremer Nachbarschaft auch finanziell immer stark profitiert hat. Das könnte man durchaus ins Feld führen und daraus eine moralische Verpflichtung Lilienthals zur Beteiligung am Straßenbahnprojekt ableiten. Ich selber hoffe als voraussichtlich intensiver Nutzer der verlängerten Linie 4 sehr auf die Verwirklichung des Projektes.
Aber niemand kann eine Kommune zum finanziellen Selbstmord zwingen. Bremen hat sich jahrelang bezüglich aller möglichen Ausgaben und Investitionen in die Tasche gelogen. Zu dieser Realitätsverdrängung gehörten schon immer unrealistische Kostenkalkulationen und überoptimistische Einnahmeerwartungen. Angesichts von 15 Milliarden Euro Schulden mag in Bremen in Politik und Verwaltung und bei der BSAG auch ein gewisser Scheiß-Egal-Effekt eingetreten sein. Aber niemand kann die Lilienthaler zwingen, sich dem gleichen Schicksal zu ergeben.
Siehe §28 Grundgesetz, Absatz 2: "Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung [...]"
Nichts anderes als diese Eigenverantwortung hat der Gemeinderat in Lilienthal wahrgenommen.
Ich glaube nicht, dass diejenigen im Lilienthaler Gemeinderat, die sich in den letzten Wochen anders entschieden haben, diese Entscheidung leicht gemacht haben.
Bremen muss verhandeln, nicht drohen. Das Geld muss anders aufgebracht oder eben eingespart werden. Schließlich wurden die Planungen von Bremen aus betrieben und die Fehler damit auch in Bremen gemacht.
Viel gehasst, mit Hang zur Selbstverliebtheit: Robert Habeck ist kein perfekter Kanzlerkandidat. Dennoch ist es gut, dass Baerbock ihm den Vorzug lässt.
kommentar: Lilienthals Recht
Dass sich ganz Bremen über das Lilienthaler Straßenbahn-Nein aufregt, ist verständlich - aber ungerecht.
Lilienthal ist gerade in Bremen nicht gut gelitten. Der Gemeinderat hat sich herausgenommen nicht, wie Bremen, Ja und Amen zum Straßenbahn-Bau zu sagen - obwohl die Kosten explodieren.
Das sorgt nun für Empörung: Die Bürgerschaft hat sogar gedroht, dann eben nicht die Umgehungsstraße weiter zu bauen. Beziehungsweise zu prüfen, ob man die Aufträge schnell stoppen kann. (Ganz im Vertrauen: Das wird nicht gehen.)
Das klingt eher nach Erpressungsversuch und Vergeltungsschlag - als nach Diplomatie. Dabei wäre das doch die bessere Konfliktlösungsstrategie. Schließlich gibt es gute Argumente für die Tram - und dass die Tramverbindung in die Nachbarstadt eine feine Sache wäre, haben die LilienthalerInnen durchaus verstanden.
Bloß ist Bremens Interesse daran größer: Die Straßenbahn-AG, die durch die Expansion deutlich mehr Fahrgäste anlocken und ihren Umsatz steigern wird, ist ein Bremer und kein Lilienthaler Unternehmen. Und dass umgekehrt 4,1 Millionen Euro für den Haushalt einer 18.000-EinwohnerInnen-Gemeinde einen großen Batzen bedeuten, kann man sich vorstellen. Wenn die Ratsleute dort darüber nicht per Tischvorlage entscheiden wollen, ist das keine Frechheit. Sondern ihr gutes Recht.
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Kommentar von
Benno Schirrmeister
Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
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