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die wahrheitIm Jahr des Ochsen: Doppelt hält besser

Vor ein paar Tagen stand auch hier in China in der Zeitung, dass Bilder von Straßenzügen in insgesamt 25 britischen Städten aus Google Street Views entfernt werden mussten...

Vor ein paar Tagen stand auch hier in China in der Zeitung, dass Google Bilder von Straßenzügen in insgesamt 25 britischen Städten aus Google Street Views entfernen musste. Der Grund waren einige Fotos, über die sich Abgebildete und Datenschützer beklagt hatten. Geschwärzt wurde beispielsweise eine Straßenszene, in der ein Mann in London gerade aus einem Sexshop kommt. Andere Bilder zeigten eine bedauernswerte Person, die sich vor einem Pub auskotzt, oder eine Reihe Schwarzfahrer, die von Kontrolleuren auf dem Bürgersteig zum Personalienaufnehmen festgehalten werden.

Leider ist Google Street Views in China noch nicht präsent, sieht man mal von Hongkong ab, das seit Dezember vorigen Jahres abfotografiert wird. Würde es aber zu uns kommen, würden wir das sicher sehr goutieren. Hierzulande liebt man es nämlich, die äußere Realität fotografisch zu verdoppeln. Nur braucht man in China dazu kein Internet. So hat man neulich hinter der Glasfassade eines neu errichteten Büroturms an der Dongsi-Shitiao-Kreuzung in Peking ein etwa dreißig mal zehn Meter großes Panoramafoto angebracht, das nichts anderes als diese Kreuzung zeigt mit ihren Hochhäusern. Auch an anderen chinesischen Orten ist mir dieser Hang zur Wirklichkeitsduplizierung aufgefallen. In Schanghai sieht man besonders viele großformatige fotografische Kopien ebenjenes modernen Schanghai, durch das man gerade läuft. Und selbst neben der Staumauer des Drei-Schluchten-Damms steht eine große Fotowand, die genau diese Staumauer zeigt.

Das ist in etwa so, als ob man neben den Eiffelturm ein großes Foto des Eiffelturms stellen würde. Aber warum tun die Chinesen das? Die Antwort ist sehr einfach: Es geht darum, das Bild der Wirklichkeit zu verbessern. Deshalb helfen sie auch auf den Fotos immer mit ein paar Tricks und etwas Bildbearbeitungssoftware nach. Der Drei-Schluchten-Damm wird aus einem günstigen Winkel fotografiert und dann noch am Computer optisch aufgeblasen. Und die Hochhäuser an der Kreuzung stehen vor einem unwirklich blauen Himmel, während in das Panorama ein prächtiges Gebäude in traditionellem chinesischen Stil ragt, das es an dieser Stelle gar nicht gibt. Obendrein fliegt ein Schwarm Kraniche durchs Bild, was nun auch schon länger nicht mehr in Peking gesehen wurde.

Zwar kann jeder, der vor dem riesigen Foto steht, sehen, dass hier die Wirklichkeit manipuliert wurde. Doch das ist in China nichts Ehrenrühriges. So schämt sich hier auch niemand für seinen Gang zum Schönheitschirurgen. Sich die Nase, Augen oder Brüste machen zu lassen, erhöht sogar den sozialen Status. Von dieser Einstellung könnte doch auch Google lernen. Statt Fotos ganzer Straßenabschnitte zu schwärzen, werden die inkriminierten Bilder einfach nur bearbeitet. Der erwähnte Mann kommt nicht mehr aus einem Sexshop, sondern aus dem Museum. Dem Kotzer wird die Kotze wegretuschiert, dann sieht es aus, als mache er Atemübungen. Und die Kontrolleure könnten den Schwarzfahrern Blumensträuße überreichen, statt ihre Namen aufzuschreiben. Wer weiß: Am Ende wirken diese Bilder ja auf die Wirklichkeit zurück, und die Welt wird tatsächlich angenehmer?

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