Guttenberg hat einen neuen General

KUNDUS Volker Wieker wird neuer Generalinspekteur. Informant: Bundeswehr wusste früher von Opfern

Taliban wollten Treibstoff aus den Lastern an Zivilisten verteilen

BERLIN taz/dpa/ap | Die Bundeswehr hat einen neuen Generalinspekteur, den 55-jährigen General Volker Wieker. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) berief ihn am Freitag als Nachfolger von Wolfgang Schneiderhan, den er wegen der Kundus-Affäre entlassen hatte. Wieker ist seit Juli 2008 Kommandierender General des 1. Deutsch-Niederländischen Korps, zudem ist er im Hauptquartier der Internationalen Afghanistan-Truppe (Isaf) in Kabul im Einsatz.

Der Verteidigungsminister hatte Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert vor drei Wochen gefeuert, weil sie ihm angeblich Unterlagen über den Luftangriff in der Nähe des afghanischen Kundus am 4. September vorenthalten hätten. Die Taliban hatten zwei Tanklaster entführt. Bis zu 142 Menschen starben bei dem anschließenden Bombardement, darunter viele Zivilisten.

Inzwischen wurde bekannt, dass die Bundeswehr möglicherweise früher als bislang angenommen über eine hohe Zahl ziviler Opfer nach dem Bombenabwurf bei Kundus informiert gewesen ist. Wie der Spiegel am Freitag vorab berichtete, soll ein afghanischer Informant in Kundus nur Stunden nach dem Luftangriff einem deutschen Soldaten berichtet haben, unter den Opfern seien „genauso Taliban wie Zivilisten“. Die Taliban hätten den Treibstoff der Tanklaster verteilen wollen, heißt es laut Spiegel in dem mehrseitigen Bericht des Informanten. Dies sei der Grund für die hohe Zahl an Zivilisten in der Umgebung.

Die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium hatten nach dem Luftangriff vom 4. September zunächst erklärt, es seien ausschließlich Taliban gestorben.

In die Debatte um den Afghanistan-Einsatz brachte die Union eine Änderung des Grundgesetzes ins Gespräch. Dabei geht es um Kämpfe gegen Terroristen oder Taliban, sogenannte asymmetrische Bedrohungen. Der verteidigungspolitische Sprecher der Union, Ernst-Reinhard Beck (CDU), sagte Spiegel Online, es stelle sich die Frage, „ob nicht der Gesetzgeber verpflichtet ist, die sicherheitspolitisch relevanten Artikel des Grundgesetzes auf den Prüfstand zu stellen“. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), forderte, man müsse die Verfassung auf die „Wirklichkeit asymmetrischer Bedrohungen hin umschreiben“.

Für eine Verfassungsänderung wäre eine Zustimmung der Grünen und der Linkspartei oder der SPD nötig. Die hält davon nichts. „Das ist ein plumpes Ablenkungsmanöver vom Fall Guttenberg. Der Luftangriff in Kundus war unangemessen und hat gegen das Völkerrecht verstoßen“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz.

Angeordnet hatte den Angriff der deutsche Oberst Georg Klein. Die Bundesanwaltschaft prüft, ob gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen eingeleitet wird. Die Ermittlungen dazu würden noch einige Zeit dauern, sagte Generalbundesanwältin Monika Harms am Freitag. INGO ARZT