Kommentar Afghanistan: Nato-Schutz für Vergewaltiger

Verzichtet der Westen auf den Druck gegen das frauenfeindliche neue Gesetz in Afghanistan, werden Nato-Truppen künftig Vergewaltiger schützen.

Dumm gelaufen. Da hat Afghanistans Präsident Hamid Karsai offenbar klammheimlich ein Gesetz unterzeichnet, das Vergewaltigung in der Ehe legalisiert. Dieses legt fest, dass Frauen nur mit Zustimmung des Gatten das Haus verlassen dürfen und ihren Ehemännern mindestens alle vier Tage sexuell zu Diensten sein müssen.

Das von Warlords und Islamisten dominierte Parlament winkte das an finsterste Talibanzeiten erinnernde Gesetz ohne Debatte durch - und Karsai unterzeichnete, wohl vor allem weil er sich davon die Unterstützung konservativer Politiker erhofft. Der einst vom Westen als Modernisierer gefeierte Karsai ist dringend auf Unterstützung angewiesen, seit insbesondere die USA wegen seiner schlechten Regierungsführung auf Abstand zu ihm gegangen sind.

Karsais Entscheidung bringt die westlichen Regierungen und die Nato, die ihre militärische Intervention in Afghanistan stets mit der dortigen Stärkung von Frauenrechten rechtfertigen, in ein doppeltes Dilemma. Zum einen ist das neue Gesetz frauenrechtlich ein klarer Rückschritt und kann nur mit weiterer Demontage Karsais rückgängig gemacht werden. Der Westen könnte den von seiner Unterstützung abhängigen Karsai zwar zur Modifizierung des Gesetzes zwingen. Doch würde das dessen Ruf in Afghanistan als US-Marionette nur bestärken und den Taliban ermöglichen, sich als die wahren Vertreter afghanischer Interessen darzustellen. Verzichtet der Westen auf den Druck und bleibt es bei dem finsteren Gesetz, werden Nato-Truppen in Afghanistan künftig Vergewaltiger schützen, weil sie einen Staat unterstützen, der Vergewaltigung in der Ehe legalisiert.

Im Zentrum des Konflikts in Afghanistan stehen schon seit Generationen nicht nur globale und regionale strategische Interessen, sondern auch innergesellschaftliche Modernisierungskonflikte. Diese lassen sich nicht mit militärischen Mitteln lösen, sondern nur durch eine Stärkung der Zivilgesellschaft. Dass dies seit dem Sturz der Taliban sträflich versäumt wurde, zeigt sich jetzt wieder am Beispiel der Frauen. SVEN HANSEN

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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