Kommentar US-Haushalt: Radikal verantwortungslos

Obama wird in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit der großen Depression ohne eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Republikanern agieren müssen.

Wie schon 1993 Bill Clinton, muss sich auch US-Präsident Barack Obama ohne jede Zustimmung der Opposition ans Aufräumen machen. Die Bush-Senior-Administration hatte Clinton ein gigantisches Haushaltsdefizit hinterlassen, und die Republikaner ließen den demokratischen Präsident beim Aufräumen konsequent im Regen stehen. Genauso ergeht es jetzt Obama. Nur dank der demokratischen Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses bekam sein gigantischer Staatshaushalt 2010 grünes Licht. 3,5 Billionen Dollar - abgesegnet unter eisigem Schweigen aller Republikaner.

Das zeigt, dass Obama in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit der großen Depression ohne Rückendeckung, also ohne eine konstruktive Zusammenarbeit wird agieren müssen. Gelingt es ihm trotz der gewaltigen Ausgaben für Konjunkturpaket und Megahaushalt nicht die Wirtschaft anzukurbeln, müssen er und die Demokraten die alleinige Verantwortung für das größte je gesehene Haushaltsdefizit übernehmen. Umso mutiger ist daher ihre Entschlossenheit, trotz der Finanzkrise die großen Sozialbaustellen nicht aufzugeben. Trotz zarter Mehrheitsverhältnisse muss die Regierung Obama nun volle Fahrt voraus die geplanten Reformen des Gesundheits-, des Erziehungs- und des Energiesystems angehen.

Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass sich angesichts der verantwortungslosen Verweigerungshaltung der Republikaner, die schließlich die USA erst in diese Schieflage brachte, nun Grundsatzstreits über jede Detailfrage zu erwarten sind. Alle drei Reformpakete werden grundsätzliche Meinungsdifferenzen über die Rolle und das Gewicht des Staats mit sich bringen.

Bleiben die Konservativen bei ihrer destruktiven Haltung, hat Obama nur ein enges Zeitfenster, um die gewaltigen Vorhaben voranzutreiben. Denn 2010 sind bereits Kongresswahlen - die die knappen Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Demokraten im Senat kassieren könnten. Kippt Obamas Mehrheit, droht die Totalblockade. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt: Bill Clintons Alleingang und die daraus resultierende Sanierungspolitik gilt als größter Erfolg seiner Präsidentschaft.

ADRIENNE WOLTERSDORF

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.