piwik no script img

Kutimans digitale ZitierkunstYouTube im Remix

In einer raffinierten Kombination von Youtube-Videos kreiert Kutiman einen akustischen und visuellen Beat, der Anleihen an House Music nimmt. Und setzt der Gemeinde ein Denkmal.

Akkustischer und visueller Mix der Musik. : screenshot youtube.com

Der 27-jährige Ophir Kutiel führt eine Website, die interessierten Usern zuweilen nicht zugänglich ist – das alleine wäre noch nicht weiter bemerkenswert. Interessant wird die Geschichte erst dadurch, dass Kutiel seinen Fans besser bekannt ist als „Kutiman“ und seine Site thru-you.com zuweilen unter dem schieren Ansturm des begeisterten Publikums zusammenbricht.

Kutiman verwendet ein einziges Instrument: YouTube. Das virtuelle Album „thru you“ - „durch euch“ macht seinen Namen zum Programm. Es ist ein Mosaik aus auf der freien Video-Plattform geposteten Beiträgen, die der Künstler ohne Rückgriff auf externe Quellen wie computergenerierte Soundeffekte oder Syntheziser in mühsamer Kleinarbeit zu eigenen Tracks zusammengefügt hat.

Spielerei mit Amateurvideos? Nein, Kutiel ist kein Laie – geboren in Jerusalem begann er bereits sechsjährig mit dem Klavierspiel, später kamen Schlagzeug und Gitarre dazu, zuletzt studierte er Jazz am Rimon Music College in Tel Aviv. Die dabei erworbene Expertise merkt man ihm an.

Sowohl Bild- als auch Tonspuren von jeweils bis zu vier musikalischen Beiträgen wurden von Kutiel montiert, arrangiert und zu einer furiosen Neukomposition verbunden. Bild und Ton finden sich zu einer raffinierten Kombination von Übergängen, Folgen und Reihen, die jeweiligen tongebenden Instrumente sind im Bild zu sehen, visuelle Schnitte und Übergänge spiegeln ihre akustischen Pendants wider und schaffen so neben dem akustischen auch einen visuellen Beat, der starke Anleihen an House Music nimmt. Seit 2006 steht er bei dem Kölner Plattenlabel MPM unter Vertrag.

Der Grundgedanke von Kutimans Schaffen ist per se nicht neu – auch Drum and Bass ist schließlich zuletzt nichts anderes als das innovative Zusammenfügen bereits vorhandenen Samplingmaterials – revolutionär ist jedoch die integrative Funktion des Publikums, das hier eine doppelte Funktion als Rezipient und Produzent erfüllt.

Immerhin wäre das Werk des Videokünstlers ohne die vorhandenen Beiträge der Youtube-User niemals entstanden, und damit hält Kutiel auch nicht hinterm Berg. In einem Videoclip bedankt er sich bei allen „Stars“ die an dem Video mitgewirkt hätten, betont, dass es nur durch dessen Beteiligung habe entstehen können und verlinkt seine Tracks ganz explizit mit den originalen Videos, aus denen er zitiert hat.

„Thru You“ - eine qualitativ hochwertige, beinahe als postmodern zu bezeichnende Hommage an YouTube, an freie Kreation, musikalisches Schaffen und die Kinder des digitalen 21. Jahrhunderts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen