Hüftschwingende Holzwelten

Klaus Hack in der Galerie Ohse: ein filigranes Sägewerk, das aus Baumstämmen transparente „Schreikleider“ macht

Weniger Kettensäge. Das ist der erste Eindruck in der aktuellen Klaus-Hack-Ausstellung in der Bremer Galerie Ohse. Als die Skulpturen des Holzkünstlers vor drei Jahren hier schon einmal ausgestellt waren, war der Zugriff gröber – jetzt ist neben der Säge auch der Beitel offenbar zu verstärktem Einsatz gekommen. Was sich nicht verändert hat, ist der Charme – zum Teil sogar Zauber – der meist stelenförmigen Werke, die Hack gern mit Kreideschwemme nachweißelt.

Wodurch keineswegs glatte Oberflächen entstehen. Hacks Kunst darf sogar aufplatzen, „auch wenn es die Sammler schon stört, wenn plötzlich so ein Stück reißt“, wie Galerist Rolf Ohse einräumt. Beim „Babelturm 2“ allerdings haben die Trocknungsrisse das Werk eher bereichert: Lang gestreckte Klafter dynamisieren den spitz gestreckten Kegel in vertikaler Richtung, ein Gegenpol zur Gleichmäßigkeit der circa 4.000 eingemeißelten Vertiefungen, die sich wie ein Netz um den Kegel legen.

Diese unübersehbare Menge von Hohlräumen ist ein immer wiederkehrendes Gestaltungsprinzip in Hacks Arbeiten. Sie werden von winzigen Fasern und Spänen bewohnt, den Griff zum Schleifpapier meidet Hack nach wie vor, alles andere wäre auch bitter schade. Die früher runden, eher wabenartigen Vertiefungen sind fensterförmigen Öffnungen gewichen, was nun die Assoziation von organisch aufstrebenden Hochhäusern nahe legt. Einige der Hack’schen Holzkörper erinnern gar an expressionistische Architekturentwürfe, etwa der „Kleid-Turm“ aus Kiefer, der sich über mehrere „Stockwerke“ zu einem veritablen Twintower erhebt.

Zugleich besitzen viele der Skulpturen figürlichen Charakter. Durch eine Art Hüftschwung bekommen sie einen axialen Knick, der der als Textil wahrgenommenen Textur so etwas wie einen Faltenwurf verleiht. Auf diese Weise ist es vom Baukörper zum (bekleideten) weiblichen Körper oft nur ein interpretatorischer Schritt. „Babelturm 2“ zum Beispiel, der spitz gestreckte Kegel, könnte sowohl biblisches Bauwerk als auch ein endlos fortgesetzter Wickelrock sein.

Hack, der sein Wohnatelier östlich von Berlin in einem früheren Bahnwärterhäuschen hat, haut seine Werke stets aus einem Stück. Neben einer Serie von Triptychen sind so in den vergangenen Jahren eine Reihe von Munch-haften Figuren entstanden: Ihre in grobe Kopfblöcke eingelassenen Münder erinnern an den „Schrei“ des norwegischen Künstlers. Sie sind das einzig Laute in einem Werk, das ansonsten eher durch Materialspannungen aufregt – und die in unendlich vielen Einarbeitungen spürbare Obsession des Künstlers. Henning Bleyl

Bis 22. Januar. Eröffnung: morgen um 20 Uhr in der Galerie Ohse, Contrescarpe 36 mit Thorsten Rodiek vom St. Annen-Museum/Kunsthalle Lübeck