Kommentar Althaus: Alle brauchen ihn, auch Merkel

Die Bundes- und Landes-CDU braucht Dietmar Althaus, weil er nach wie vor populär ist. Und auch die Medienöffentlichkeit will doch letztlich entschlossene Macher und keine Grübler.

Dieter Althaus ist wieder zurück im Amt des Ministerpräsidenten von Thüringen. Laut einem Gerichtsgutachten hat er bei einem Skiunfall am Neujahrstag eine Frau zu Tode gefahren und erlitt selber ein Schädel-Hirn-Trauma. Der 50-Jährige hätte dabei zu einer tragischen Figur der deutschen Politik werden können. Und zu Recht wurde gefragt: Kann ein wegen fahrlässiger Tötung verurteilter Politiker überhaupt weitermachen; muss er nicht wenigstens eine Auszeit nehmen? Spielt die Schuldfrage eine Rolle oder nicht? Sind das alles Machtsüchtige?

Jetzt aber hat die Wirklichkeit diese legitimen Diskussionen überholt: Althaus ist der einzige Kandidat, den die Thüringer CDU präsentieren will und kann. In den Umfragen ist die Zustimmung für ihn zwar gesunken, aber immer noch weit höher als die für irgendjemand anders. Und die Sondierungen im Bundesland zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Gruppen CDU/FDP und Linkspartei/SPD. Da kommt es auf jedes Prozent an, und die CDU will keinesfalls auf ihren Ministerpräsidenten verzichten und hofft, dass bis zur Wahl manches wieder vergessen ist, vielleicht selbst ein Skiunfall mit Todesopfer.

Auch von der Bundesebene kommt Unterstützung für Althaus. Die Thüringer wählen nämlich am 30. August, also einen Monat vor der Bundestagswahl - und zwar zusammen mit dem Saarland und Sachsen. Da muss ein akzeptables Ergebnis vorgelegt werden, ansonsten wird die Kanzlerin mitten in der heißen Wahlkampfphase beschädigt. Keiner weiß, wie gut die Linkspartei im Saarland mit Oskar Lafontaine abschneidet. Die Union dürfte Stimmen verlieren, vor allem an die FDP. In Sachsen ist ebenfalls alles offen, weil dort bei der letzten Wahl die SPD und die NPD praktisch gleichauf waren und sich daher für die CDU grauslige Koalitionsoptionen ergeben. Also bleibt nur noch Thüringen als sichere Bank. Entsprechend wird sich Berlin für die dortigen Parteifreunde ins Zeug legen.

Und über konkrete Wahlkampffragen und Parteienmathematik hinaus - seien wir doch ehrlich: Mehrheitlich wollen wir entschlossene Macher, keine Denker an der Spitze. Ist ein Politiker kein gerissener Machtmanager, sondern denkt er über Schuld oder gar Abtritt nach, dann legen wir ihm das gerne als Schwäche aus. Und nicht als Stärke, dass er vielleicht im Zweifel lieber noch einmal grübelt, anstatt sich durchzusetzen, komme, was wolle.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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