Island in der Wirtschaftskrise: Insel in Schockstarre

Eine Inflationsrate von rund 20 Prozent und eine rasant gewachsene Arbeitslosigkeit. Island befindet sich in einer beispiellosen Krise, die jedem Bürger 60.000 Euro Schulden auflastet.

Besucher des Badeparadieses Blaue Lagune nahe Reykjavik: Mehr Spaß ist derzeit nicht drin auf Island. Bild: rtr

STOCKHOLM taz "Til leigu", zu vermieten, verkünden die Schilder in immer mehr leeren Schaufenstern in Reykjavíks Einkaufstraße Laugarvegur. Es gibt viele Baukräne in Islands Hauptstadt. Aber sie drehen sich schon lange nicht mehr über den Neubauruinen. Die Konkurswelle hält an, die Währung hat sich noch nicht stabilisiert und die Inflationsrate pendelt zwischen 15 und 20 Prozent. Die Arbeitslosigkeit ist seit Herbst letzten Jahres von 1 auf 9 Prozent gestiegen. Sie dürfte bis zum Spätsommer auf 15 Prozent klettern.

Die Steuereinnahmen des Staates sinken und die Ausgaben für Sozialleistungen steigen gleichzeitig stetig weiter an. Mehrere Gemeinden mussten mittlerweile Notkredite in Anspruch nehmen, weil sie die Gehälter ihrer Angestellten nicht mehr bezahlen können. Wie hoch die Verbindlichkeiten der jetzt verstaatlichten Banken das Land verschuldet haben, ist immer noch nicht ganz klar. Es gibt Schätzungen, wonach jede Isländerin und jeder Isländer dadurch eine Schuldenlast von 60.000 Euro aufgebrummt bekommen hat.

Wie will das Land alle diese Schulden bezahlen? "Es wird schwer", sagt Gylfi Magnússon, "und es wird lange dauern. Ich rede da nicht von ein oder zwei Jahren. Sondern viel länger." Der Ökonomieprofessor hatte jahrelang die verantwortungslose Finanz- und Bankenpolitik Islands kritisiert. Seit 1. Februar gehörte der Parteilose als Handelsminister der Übergangsregierung an, die bis zu den jetzigen Neuwahlen die Geschäfte führte. "Wir haben trotz allem das Glück, eine relativ gesunde Realwirtschaft zu haben", sagt Magnússon. Man stehe viel besser da als beispielsweise die baltischen Staaten. Island könne sich auf gut ausgebildete und flexible Arbeitskräfte stützen. Auf eine funktionierende Infrastruktur und auf natürliche Ressourcen. "Diese Realwirtschaft kann Güter und Dienstleistungen produzieren und wir können diese exportieren. Und irgendwann werden die verstaatlichten Banken auch wieder etwas wert sein." Seine Hoffnung: "In einigen Jahren werden wir nicht schlechter dastehen, als die meisten EU-Länder."

Magnússon sieht in einer EU-Mitgliedschaft nicht die Rettung für Island. Gerade in der jetzigen Krise sei es für das Land ein Vorteil, die volle Souveränität über seine Fischressourcen behalten zu haben. Und selbst die schwache Landeswährung wirke sich für den Exportsektor - und das ist in Island vor allem die Fischerei - durchaus positiv aus. Die Wirtschaft habe einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ländern mit vergleichsweise stabiler Währung und könne sich über den Export so schneller erholen. Langfristig aber plädiert er dafür, die EU-Option gründlich zu analysieren. Zwar habe das Land als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums schon jetzt die meisten Rechte eines EU-Mitglieds. Island wäre auch als EU-Land der Krise nicht entronnen. Doch wäre "die Dynamik weniger ausgeprägt gewesen". Der Euro hätte sich als stabilisierender Faktor erwiesen.

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