Nachuntersuchung der Spiele in Peking: Sechs Sportler des Dopings überführt

Bei Nachuntersuchungen sind sechs Teilnehmer der Sommerspiele positiv getestet worden. Drei Namen sind bekannt, darunter Olympiasieger Ramzi.

Jetzt ist sie weg, die leckere Medaille des Olympiasiegers Ramzi. Bild: ap

Der freundliche Herr Xu berichtete in der Zeit der Spiele mit einem gewissen Stolz von den Kühlschränken, die sich das Dopingkontrolllabor in Peking so zahlreich zugelegt hatte. Darin sollten all die Urinproben gelagert werden, die während der Olympischen Spiele genommen worden waren. "Wir haben so viele eingekauft, dass wir alle Proben einfrieren können, und dann ist erst ein Viertel voll", sagte Xu Youxuan seinerzeit der taz.

Die Truhen wurden vor einigen Monaten wieder geöffnet, um zu analysieren, was Herr Xu und seine Kollegen im Dauerbetrieb nicht geschafft hatten: Tests auf Insulin und das Blutdopingmittel Cera, das erstmals bei der Tour de France aufgetaucht war und Radprofis zum Verhängnis wurde. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat jetzt bekannt gegeben, dass sechs der Proben positiv ausgefallen sind. Die Namen der Athleten sind den nationalen Olympischen Komitees mitgeteilt worden. Drei Fälle sind bislang öffentlich geworden.

Betroffen ist der italienische Klassiker-Spezialist Davide Rebellin, der zuletzt wieder zugeschlagen hatte beim "Wallonischen Pfeil". Erwischt wurde auch Rebellins bereits einschlägig vorbelasteter Kollege Stefan Schumacher - und der Olympiasieger über 1500 Meter, Rashid Ramzi aus Bahrain. Alle drei Sportler haben offenbar mit einem Epoprodukt gedopt: Continuous Erythropoiesis Receptor Activator, kurz Cera. Rashid, 1980 in Marokko geboren, war 2001 in den Bahrain umgesiedelt. Ein Jahr später hatte er die bahrainische Staatsbürgerschaft angenommen. In Peking gewann er die erste Goldmedaille überhaupt für den Bahrain bei Olympischen Spielen. Schumacher sitzt bereits eine Sperre ab, weil der Deutsche schon bei der Frankreich-Rundfahrt 2008 mit Cera im Blut aufgefallen war.

Diese Nachrichten dürften bei Hans-Michael Holczer Bestürzung ausgelöst haben. Denn nachdem die überraschenden Leistungen seines Tour-Starters Bernhard Kohl bereits auf Cera zurückgeführt werden mussten und Schumacher am 22. Februar dieses Jahres von der französischen Anti-Doping-Agentur (ADFL) für zwei Jahre gesperrt wurde, hat es nun ein weiteres Aushängeschild seines früheren Rennstalls erwischt: Rebellin, sieben Jahre lang Teamkapitän bei Gerolsteiner und Silbermedaillengewinner der Pekinger Spiele. "Mein Gesamtwerk ist schon im Oktober den Bach runtergegangen, aber der Schock sitzt tief", sagte Holczer, "Davide Rebellin war noch meine Hoffnung, dass er es auf ehrliche Weise geschafft hat." Holczers letzte Hoffnung ist nun wohl dahin. Schumacher, sein ehemaliger Schützling, war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, in der Vergangenheit hat er Doping aber stets bestritten.

948 der insgesamt 4.770 bei Olympia durchgeführten Tests wurden einer Nachanalyse unterzogen. 847 Proben hatte das IOC in den Labors von Chatenay-Malabry und Lausanne nachträglich auf Cera, 101 Proben im Institut in Köln auf Insulin getestet. Bei den spät ertappten Sündern handelt es sich also um zwei Radfahrer, drei Leichtathleten (inklusive Ramzi) und einen Gewichtheber: Die dopingaffinen Sportarten sind exklusiv vertreten. Der italienische Sportverband Coni hatte gestern als Erster den Namen Rebellins bekannt gegeben. Italien ist stolz auf diese Art der Transparenz. "Die Tatsache, dass das Coni als erstes nationales Olympisches Komitee den positiven Fall bekannt gegeben hat, ist ein Zeichen für die absolute Ernsthaftigkeit im Kampf gegen Doping", lobte der Präsident der italienischen Vereinigung der Sportmediziner, Maurizio Casasco, in der Gazzetta dello Sport.

Vor einer Woche war Italien noch unendlich stolz auf Rebellin. Da hatte der fast 38-Jährige gesiegt und war dann Dritter beim traditionsreichen Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich geworden. "Er hat unsere Klassikersaison gerettet", jubelte die Gazzetta. Auf einer ganzen Seite durfte Rebellins Trainer Giosue Zenoni das Erfolgsrezept seines Schützlings beschreiben. "Er ist ein harter Arbeiter. Er trainiert am liebsten allein", plauderte er.

Der frühere sportliche Leiter des Rennstalls Polti stellte auch Rebellins Persönlichkeit heraus. Der sei ein prinzipienfester Mann, teilte Zenoni mit. Er scheint neben kompromisslosem Training aber vor allem die Vorliebe der Radsportszene für Medikamentenmissbrauch verinnerlicht zu haben. Rebellin hatte einen Monat nach den aufsehenerregenden Cera-Fällen der Tour de France noch Spuren dieses Mittels im Körper. Dies lässt auf ein schon galaktisches Maß an Unverfrorenheit schließen. Er selbst leugnet den Betrug: "Ich habe nichts getan."

In dieser Saison schien Radler Rebellin, der 2004 einen sagenhaften Coup landete und sowohl Lüttich-Bastogne-Lüttich als auch das Amstel Gold Race und den Wallonischen Pfeil gewann, in einen Jungbrunnen gefallen zu sein. Bei vielen Rennen gehörte er zu den auffälligsten Akteuren. Neben eigenen Erfolgen half er auch den Teamgefährten seines venezolanischen Rennstalls Serramenti PVC Diquigiovanni aufs Podium. Den nach einer Dopingsperre wieder zurückgekommenen Michele Scarponi unterstützte er maßgeblich bei dessen Sieg beim Rennen Tirreno Adriatico. Rebellins 37 Jahre schienen Ausweis seiner Reife und Erfahrung zu sein. Sein Entdecker Zenoni sagte deswegen: "Der Radsport verlängert das Leben des Athleten. Von Coppi bis Zoetemelk ist die Geschichte reich an Beispielen von Personen, die mit fast 40 Jahren noch um Siege mitgefahren sind."

Wahrscheinlich hängt die Performance der Leistungssport-Opas auch mit ihrem gesammelten pharmazeutischen Wissen zusammen. Rebellin hat sich kurz vor der Radlerrente wohl verzockt. In einem Pekinger Kühlschrank könnte die Probe gelegen haben, die ihn entlarvte.

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