Jutta Ditfurths neues Buch: Mit Lichterkette kein Bastille-Sturm
Der Wut den Weg zu weisen, versucht die Autorin in ihrem Buch "Zeit des Zorns", das sie am Sonntag im Berliner Ensemble vorstellte. Trotz Vereinfachung, lohnt mit ihr der Streit
Sie mag die taz, überhaupt die Medien nicht besonders, und sie hat nachvollziehbare Gründe dafür. Jutta Ditfurth wurde in beinahe jeder Zeitung Deutschlands nicht eben rücksichtsvoll behandelt. Das liegt weniger daran, dass Jutta Ditfurth provoziert, sondern daran, dass sie dies als eine Frau tut. Nicht einmal Thomas Ebermann und Rainer Trampert, die ebenso radikale Linke sind und in den Flügelkämpfen der Grünen als "Fundis" galten, wurden so sehr mit Häme überschüttet wie sie.
Während Joseph Fischer einerseits Deutschlands Interessen mit Kriegen durchsetzte, mit den Hartz-Gesetzen eine allseits geduldete Zwangsarbeitspflicht einführte und in wirren Esoterikbüchern ("Mein langer Lauf zu mir selbst") seinem Geltungsdrang nachgab, wird Jutta Ditfurth, die keine politischen Schweinereien zu verantworten hat und deren zwei Romane weniger dümmlich waren, wie eine Aussätzige behandelt.
Diese Vorrede braucht es, bevor von der Premiere ihres Buches "Zeit des Zorns" berichtet werden kann, die am Sonntag auf der Probebühne des gut gefüllten Berliner Ensemble stattfand. In der Streitschrift mit dem großtuerischen Titel schreibt die Autorin darüber, wie eine radikale Linke eine gerechte Gesellschaft erkämpfen kann.
Dabei schreckt sie vor der "Gewaltfrage" nicht zurück, wie sie gleich zu Beginn der Lesung feststellte: "Hätte die Bastille 1789 mit einer Lichterkette erstürmt werden können?", fragte sie. Ditfurth möchte die Wut "der Leute" angesichts der zunehmenden sozialen Ungerechtigkeiten in Bahnen lenken. Was es brauche, sei Aktion, Theorie und Organisation. Nur so ließe sich der Repression, der der Einzelne unterliege, wenn er aufmuckt, begegnen. Als Beispiel für diese Repression, die von allen Regierungen gebilligt werde, nannte sie die Gewaltexzesse der Polizei beim G8-Gipfel in Genua 2001, wo 200 wehrlose Demonstranten in der Diaz-Schule aufs Entsetzlichste verprügelt wurden.
Dergleichen will Ditfurth entgegensteuern, doch nicht mit Parteiarbeit - selbst die Arbeit in ihrer eigenen Partei, der Ökologischen Linken, sei ihr nicht so wichtig wie die außerparlamentarische Aktion. Dass etwa die Linke sich heute zwar gegen die Nato-Mitgliedschaft und Hartz IV wende, dies aber, sobald sie an einer Regierung beteiligt sei, vergesse, zeige, dass man in Parlamenten nichts ausrichten könne. Eine Dame von Attac, die sich in der anschließenden Diskussion meldete, durfte hören, wie schnell ihre Organisation jeden linken Ansatz verloren hätte.
Soweit, so gut - und in der radikalen Linken auch bekannt. Kaum etwas von dem, was Jutta Ditfurth erzählte, wird nicht bereits in den Infoläden von Konstanz bis Kiel diskutiert. Und nicht selten differenzierter. Manche Statements, etwa das vom sofortigen Abzug aller Truppen aus Afghanistan, kann man noch so oft wiederholen - das ändert nichts daran, dass das, was nach den westlichen Armeen käme, noch schrecklicher wäre, als das, was zur Zeit dort passiert.
Jutta Ditfurth gibt die radikale Realpolitikerin, die Maximalforderungen aufstellt. Es geht ihr "ums Ganze". Daran ist nichts verkehrt. Ihre Streitschrift wendet sich an jene, die sich nicht innerhalb der radikalen Linken bewegen; insofern ist es nicht einmal verwerflich, dass sie in einem Verlag erschien, der zur Hälfte der katholischen Kirche gehört. Doch sie popularisiert radikal linke Positionen, vereinfacht sie nicht nur gezwungenermaßen, sondern auch allzu gern. Das ist ihr Manko. Ein Streit mit dieser Genossin ist jedoch lohnender als einer mit, sagen wir einmal, den Freunden der Tobin-Steuer.
JÖRG SUNDERMEIER
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