herr tietz macht einen weiten einwurf
: Flachlandtiroler

Jürgen Klinsmann will mit den deutschen Fußballern den Kilimandscharo besteigen. Dumm nur, dass das total einfach ist

Metaphern können manchmal ganz schön klappern, und das nicht nur wegen ihrer schiefen Bildhaftigkeit. Auch sprachlich rumpelt es da schon mal, vor allem wenn der Metaphernmacher sicher einiges kann, nur eben kein Hochdeutsch.

Jürgen Klinsmann zum Beispiel. Der Bundestrainer versuchte nach dem Frankreichspiel vom Sonnabend sich und sein Team metaphorisch so zu verorten: „Wir haben den Kilimandscharo vor uns, haben aber im August 2004 schon angefangen hinaufzuklettern.“ Haben angefangen hinaufzuklettern?

Uns interessiert aber weniger der stilistische denn der bildliche Ausdruck Klinsmann’scher Metaphorik. Die ohne Zweifel aus dem Bereich der Bergsteigerei stammt und offenbar besagen soll, dass zwischen dem aktuellen Leistungsstand der deutschen Mannschaft (der trotz des tapfer erkämpften Unentschiedens von Paris derzeit kein Weltniveau hat) und dem festen Ziel für 2006, dem Gewinn der Weltmeisterschaft, noch ein ordentliches Stück Bergweg liegt. Ein langer, steiler Anstieg, zu dem „wir“ aber, zum Glück, rechtzeitig aufgebrochen sind.

Letztes Jahr nämlich, als die Berufung Klinsmanns zum Bundestrainer erfolgte bzw. zum Bundesbergführer, um im Bild zu bleiben. So weit, so stimmig. Könnte man jedenfalls meinen.

Nur: Was hat in diesem Bild der Kilimandscharo zu suchen? Höchster Berg Afrikas zwar und größte freistehende Erhebung der Erde, die aber eins ganz sicher nicht ist: schwer zu besteigen. Unter Bergsteigern jedenfalls zählt der Kilimandscharo zur Kletterkategorie „einfach“. Er ist ohne Ausrüstung zu erklimmen. Seile, Pickel, Steigeisen – braucht man alles nicht.

Es sollen recht kommode Wanderwege sein, die über bestens ausgeschilderte Routen zum Gipfel hinaufführen. Abstürzen, so die Experten, kann man beim besten Willen nicht. Lediglich die beim Aufstieg mählich dünner werdende Luft macht einigen weniger trainierten „Flachlandtirolern“ zu schaffen. Kein Wunder, auf dem Gipfel des Kilimandscharos in knapp sechs Kilometern Höhe gibt’s gerade mal halb so viel Sauerstoff zu atmen wie am Fuß des Berges.

Dünne Höhenluft aber sollte fitten Fußballprofis ebenso wenig zusetzen wie ein vergleichsweise harmloser Spaziergang auf den Kilimandscharo. Trotzdem erwählte Klinsmann für sein Bild vom beschwerlichen Weg ausgerechnet diesen laffen Berg – mit dem mutmaßlich allein Lukas Poldolski so seine Probleme hätte: Bei dem Versuch nämlich, „Kilimandscharo“ korrekt zu buchstabieren.

Irritierend an Klinsmanns Metaphorik ist auch, dass es ein afrikanischer Berg ist, den er zwischen dem eher leistungstrüben Jetzt und dem erhofften triumphalen Später liegen sieht.

Fände die kommende Weltmeisterschaft in Afrika statt – und um ein Haar bzw. um jenen Geschenkkorb, der da dem neuseeländischen Fifa-Entscheider unter der Hotelzimmertür hindurchgeschoben wurde, wäre das ja auch der Fall gewesen – fände also schon die nächste WM in Südafrika statt, könnte man Klinsmanns Bergmetapher eher verstehen. Immerhin läge dann der Kilimandscharo rein geografisch gesehen auf etwa halber Anreisestrecke. Auf das WM-Ausrichterland Deutschland gemünzt aber hätte Klinsmann mindestens die Zugspitze für seine Bergmetapher einsetzen müssen.

Der Bundestrainer war übrigens nicht der erste deutsche Fußballfunktionär, der sich bildsprachlich bei der Bergsteigerei bediente. Am 3. August 2001 konnte man in der Westfälischen Rundschau lesen: „Nach der spielerisch beeindruckenden Vorstellung gegen den 1. FC Nürnberg (2:0) warnte BVB-Präsident Gerd Niebaum vor allzu großer Euphorie: ‚In der Sprache der Bergsteiger haben wir gegen Nürnberg die Wetterstation am Kahlen Asten im Sauerland bezwungen, in Berlin stehen wir nun vor der Eiger Nordwand.“

Das Online-Journal Metaphorik.de lobte diese Metapher ausdrücklich als eine, die Berge versetzen könne: „Zur Not auch die Eiger Nordwand nach Berlin.“ Die Metaphernfachleute raten jedoch Fußballern zur erhöhten Vorsicht beim zu leichtfertigen Gebrauch der „Sprache der Bergsteiger“. Schließlich kommen in der auch Abstiege vor.

Vor allem über die sollte Klinsmann längst angefangen haben nachzudenken.