Kommentar Waffenrecht: Koalition der Schützenbrüder

Die Neuerungen im Waffenrecht werden mit Sicherheit keinen einzigen Amoklauf verhindern.

Es ist ein Jammer. Beim Waffenrecht geht die große Koalition so entschlossen zu Werke, als schaue sie in die Mündung einer Schrotflinte. Sie schlottert vor Angst, sucht Ausflüchte und bewegt sich in winzigen Schrittchen. Das also folgt aus der erregten Diskussion nach dem Amoklauf in Winnenden: Waffenbesitzer müssen mit unangemeldeten Kontrollen rechnen, 14-jährige Jugendliche dürfen nicht mehr mit großkalibrigen Waffen üben, und ein zentrales Waffenregister wird angelegt.

Allen beteiligten Politikern muss dabei völlig klar sein: Diese Neuerungen werden mit Sicherheit keinen einzigen Amoklauf verhindern. Ordnungsämter sind in vielen Städten heillos überlastet - ihre Beamten werden kaum Zeit für weitere Kontrollen finden: Was im Prinzip aber auch egal ist, denn ein waffeninteressierter Junge weiß im Zweifel genau, wo sein Vater den Schlüssel für den Gewehrschrank aufbewahrt. Ein Übungsverbot für Jugendliche laviert ebenso am Problem vorbei wie ein Waffenregister, das den Behörden allenfalls Vorteile bei der Strafverfolgung schafft - nachdem das Blutbad angerichtet ist.

Bis zu 30 Millionen Feuerwaffen sind in Deutschland im Umlauf, davon liegen 10 Millionen legal in Privathaushalten. Und es ist offensichtlich: Die Politik traut sich nicht, den Bürgern ihr Spielzeug wegzunehmen. Unter der Hand geben Abgeordnete offen zu, die Schützenlobby zu fürchten, die in ganzen Landstrichen das Leben von Dörfern und Städten bestimmt. Wie groß die Angst ist, zeigt das Beispiel CDU: Sie will lieber harmlose Paintball-Pistolen verbieten als großkalibrige Knarren. Mit ihrem Reförmchen vergibt die Koalition die Chance, die Durchseuchung der Gesellschaft mit Tötungsinstrumenten einzudämmen. Sie hat sich vor der Frage gedrückt, ob für Sport schwere Waffen nötig sind, die sonst nur Soldaten oder Polizisten benutzen. Anderes ist von einer Koalition der Schützenbrüder wohl nicht zu erwarten.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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