Einfach krachen lassen

Die deutsche U 21-Fußballnationmannschaft schlägt erneut Tschechien und darf zur EM-Endrunde. Trainer Dieter Eilts bedankt sich dafür bei seinen Spielern

LEVERKUSEN taz ■ Einiges ist anders bei so einem U 21-Spiel, jenseits von Liga-Routine und dem staatstragenden Brimborium eines A-Länderspiels. Das Publikum ist jünger, wohlwollend und nachsichtig, selten sind Murren oder Pfiffe, einem Fehlpass folgt höchstens ein Ooooh der Enttäuschung. Die Banden werben für Nutella, Apfelsaft und seltsame Produkte wie „Bärchenwurst“. Fanplakate preisen Schnuffi und Pumuckl – das allerdings hat schon Niveau wie bei den großen Poldis und Schweinis. Und wenn dann noch die Richtigen gewinnen und sich für die Nachwuchs-EM qualifizieren (25. Mai–6. Juni 2006, Ort noch unbekannt), umso schöner.

Für viele Jungfans ist ein solches Spiel die Fußball-Initiation. Auf dem Weg in die BayArena hatte ein Dutzend zehnjähriger Kevins und Marcels hochstimmig laut im prasselnden Regen die Hymne geprobt: „Einigkeit und Recht und Freiheiheit, für das deutsche Vaterherland, danach … – Wie ging das danach weiter, Herr Müller?“ Und gegen wen ging es? Die Einheimischen (allen Alters) mit der regionspezifischen „ch, sch“-Schwäche sprachen mal von Chechjen, mal von Tchäschijen oder gar von der Schäschischen Republik als Gegner.

Auch die Spieler sind noch nicht von Morbus Kahn befallen und gucken einem beim Gespräch freundlich in die Augen. Wolfsburgs Mike Hanke, der kurz vor Schluss eine Chance vergeben hatte, die die meisten der Tribünen-Kevins cool genutzt hätten, lachte über seinen unbedrängten 4-Meter-Lattenkracher („Das war echt Kunst“) und blickte gleich voran: „Unsere Ambition ist es jetzt, Europameister zu werden.“ Unsere U 21er sind alkoholgedopt, gab er zu: „Gestern Abend haben wir noch beim Bier zusammen gesessen. Die Kameradschaft ist topp.“ Auch Stefan Kiesling aus Nürnberg prophezeite: „Bei der EM lassen wir es richtig krachen.“ Trainer Dieter Eilts wirkte da fast schon bremsend: „Diese Elf hat unwahrscheinlich viel Charakter.“

Das Spiel vor 15.300 Zuschauern war „eine schwere Geburt“ (Eilts), wie schon der glückliche 2:0-Hinspielsieg am Freitag. Wieder hatten die Tschechen beste Chancen vergeben, vor allem Gladbachs Sverkos: „Dem Vaclav hätte ich es richtig gegönnt“, sagte sein Trainer Horst Köppel auf der Tribüne, aber ach, das zweite Herz in seiner Brust war stärker: „Wir wollen doch zur EM.“ Begeistert hatten die deutschen Jungprofis erst in der Schluss-Viertelstunde. Da wurde nicht etwa professionell ergebnisverwaltet, sondern mit spürbarem Torhunger gekontert und viele Chancen brillant herausgespielt.

Trainer Eilts, 40, ist in seinen 14 Spielen mit der U 21 ungeschlagen. „Der Kumpeltyp“, wie ihn Kapitän Sascha Riether nennt, ist in manchem anders. Endlich mal ein nationaler Übungsleiter, der offen und strukturiert spricht und mit der Mär aufräumt, zum Anforderungsprofil eines DFB-Trainers gehörten sprachliche Unsauberkeiten wie beim Schwaben Klinsmann („da, wo …“), bei Horst Hrubesch (grammatikalische Basics), Beckenbauer (Sinnfreiheit) oder bei Vogts (grundsätzlich). In Leverkusen freute sich Tribünengast Jogi Löw, „zur Europameister zu fahren“.

Auch räumt der Exgrätscher Eilts mit dem Vorurteil auf, nur ehemalige Angreifer könnten eine offensive Spielkultur predigen. Seine Multikultitruppe mit Elternteilen aus Polen (der starke Trochowski), der Türkei (Fatih), Kamerun (Matip), Ghana (Odonkor) und Griechenland (Masmanidis) spielt immer nach vorn. Das Tor (67.) schoss Herthas gebürtiger Angolaner Nando Rafael. Auffallend, dass alle Defensivleute der U 21 das Spiel auch mit Tempo eröffnen können, ohne sich dabei die Füße zu brechen wie die Generation Wörns.

Dieter Eilts sagt ungewöhnliche Sätze („Ich möchte mich bei den Spielern bedanken“) und lobt die Vereine: „Entscheidend ist das Umdenken, dass viele junge Spieler jetzt in der Liga Spielpraxis kriegen.“ Glück gehört dazu, weil im Moment „tolle Jahrgänge“ zur Verfügung stehen. Da muss Eilts als Fußballwinzer nur für eine vollmundige Frühlese sorgen. Talente stehen zur Ernte reichlich bereit: Eilts nannte ausdrücklich Gonzalo Castro aus Leverkusen und Aachens Jan Schlaudraff als weitere Kandidaten für seinen EM-Kader. Und dann, krachen lassen à la Kiesling? Eilts: „Da hoffe ich doch drauf.“ BERND MÜLLENDER