Datenschutznovelle in der Kritik: Chefs können weiter spitzeln

Die Koalition plant ein neues Datenschutzgesetz, das Spitzelskandale wie bei Lidl verhindern soll. Doch Experten halten die Novelle für wirkungslos.

Was der Chef sieht und was nicht, kann er weiterhin für sich behalten. Bild: dpa

Die Koalition will mit einem neuen Bundesdatenschutzgesetz in Firmen Überwachungsskandale wie bei Lidl, Bahn oder Telekom verhindern. Doch aus der Sicht von Praktikern ist das Regelwerk für diesen Zweck schlicht ungeeignet. "Die Novellierung hat große Schwächen", sagte Barbara Kirchberg-Lennartz. Sie arbeitet als Konzernbeauftragte für Datenschutz bei der Lufthansa. "Das Gesetz fordert und fördert keine neue Rolle für uns."

Union und SPD verhandeln derzeit über eine Änderung des Datenschutzgesetzes - und wollen diese in den nächsten Wochen beschließen. Die Neuregelung soll nicht nur den Adresshandel erschweren, sondern auch den Firmendatenschützern mehr Macht geben: Ein erweiterter Kündigungsschutz wie bei Betriebsräten ist ebenso im Gespräch wie eine gesetzliche Pflicht zur Weiterbildung. Außerdem könnten Unternehmen dazu verpflichtet werden, Datenpannen an die jeweils zuständigen Datenschutzbeauftragten der Länder und die davon betroffenen Menschen zu melden.

"Diese Regelungen ändern gar nichts", sagte auch der Datenschützer eines großen Geldinstituts auf dem Euroforum-Datenschutzkongress in Berlin. Von Dienstag bis Donnerstag trafen sich Experten aus ganz Deutschland, darunter viele Firmenbeauftragte. Viele sehen die Gesetzesnovelle kritisch. "Das Grundproblem ist doch, dass wir weiterhin auf den guten Willen der Vorstände angewiesen sind", sagte der Datenschützer eines Mittelständlers aus Baden-Württemberg. "Wenn uns die Chefs nicht in relevante Entscheidungen einbinden wollen, dann müssen sie das auch nicht."

Die beiden Männer wollen ihre Namen nicht nennen, andere Kollegen sind ebenso vorsichtig. Datenschutz gilt derzeit als brisantes Thema in den Unternehmen. Auch würden ihre Chefs sicher ungern hören, was ihre Mitarbeiter so fordern: "Wirklich hilfreich wären mehr Befugnisse für die Landesdatenschutzbeauftragten", sagte der Mann von der Großbank. "Wenn sie Unternehmen durchsuchen und Unterlagen beschlagnahmen könnten, würden die Vorstände die Gefahr von Datenskandalen sehr viel ernster nehmen."

Die Landesbeauftragten sind die Aufsichtsbehörden für die Wirtschaft. Bisher dürfen sie nach einem Fehlverhalten eines Unternehmens die Herausgabe von Unterlagen fordern. Sie sind also auf die Kooperation angewiesen, manchmal werden Dokumente vernichtet.

Der SPD-Datenschutzexperte Michael Bürsch wies die Kritik zurück: "Hier wird über ungelegte Eier diskutiert, wir verhandeln noch." Man wolle durchaus die Aufsichtsbehörden stärken - Durchsuchungsbefugnisse seien jedoch nicht geplant.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.