Verschmähte Entwürfe für Einheitsdenkmal: Das Volk führt die Freiheit vor
Scheitern als Chance: 532-mal Freiheit in der Ausstellung zum gescheiterten Wettbewerbsverfahren für das Einheitsdenkmal. Ein Rundgang.
Hat eine irre Fantasy-Landschaft den Schlossplatz verwandelt? Gigantische Triumphbögen und Brückenbauwerke stemmen sich da aus der Erde. Monumentale Plastiken, wie aus dem nordkoreanischen Reich des Bösen, wuchten sich gen Himmel. Massige Stahlplatten und fliegende Kraftwerke schweben über der Spree, ähnlich den mächtigen Kulissen aus "Star Wars".
Man kann in der Ausstellung mit den 532 Ergebnissen zum "Einheits- und Freiheitsdenkmal alle Vorurteile und Kritik, die seit der Eröffnung am Dienstag in der Stadt kursieren, bestätigt finden: Die ungelenken Beiträge reflektieren die ungenauen Wettbewerbsvorgaben. Die "ungenügenden" Entwürfe, so die Jury, rechtfertigten den Abbruch des Verfahrens.
Auch der Protest der Künstler ist verständlich. Hat doch der Bund als Auslober versagt, weil er das Prozedere politisch und historisch überfrachtete, wie der Berufsverband Bildender Künstler moniert. Zu Recht: Wie sollen Künstler und Architekten eine Chiffre für die deutsche Freiheitsetappe kreieren, wenn diese gleich fast im Dutzend daherkommt - nämlich 1813, 1815, 1848, 1871 und schließlich mit der "friedlichen Revolution" von 1989? Das geht nicht. Da geht nichts.
Nun existiert nach dem sechsmonatigen Wettbewerb zwar kein Siegerentwurf. Wie es weitergeht, ist auch unklar. Doch man kann die Ausstellung des Scheiterns auch ernst nehmen, lässt man die reinen Nordkorea-, Quatsch- oder Gigantomanieadaptionen außen vor.
Die Schau zeigt die tastenden Versuche von Künstlern und Architekten, sich einem Thema anzunähern, dessen Ikonografie und Sujet speziell in Deutschland fast unbekannt und von den Auslobern nicht geklärt worden ist. Weder haben hier die Künstler Vorbilder wie "Die Freiheit führt das Volk an" (Eugène Delacroix), noch existieren Beispiele von Format. Mit nationalen Freiheits- oder Einheitsdenkmälern aus Zeiten der Reichsgründung oder wie in der DDR hat die Republik keine positiven, vorzeigbaren Demonstrationsobjekte auf Lager. Zugleich ist die Geschichte der Reiterstandbilder, Säulenhallen, baulichen Pathosformeln oder sozialistischen Helden aus Stein und Bronze obsolet. Als Erklärungs- und Identifikationsmuster für unser Gemeinwesen taugen sie nicht.
Genau in diesem Vakuum - zwischen Historie und Unbekanntem - bewegen sich die meisten Ausstellungsteilnehmer. Es ist wie eine Reise ins Ungewisse, die man darum vorsichtig, manchmal hilflos beginnt. Freiheit und Einheit assoziieren dann einfache symbolische Bilder wie die von gegenständlichen Skulpturen mit wehenden Gewändern oder Plastiken aus großen metallenen Schleifen, Brücken und Ringen von der Gruppe Graft.
Auch zahlreiche Bühnenkonstruktionen spielen bei der Freiheitsimagination eine Rolle. Rob Kriers Idee ist, dem Osten wie dem Westen Deutschlands ein Haus als leere Hülle zu übergeben, die bespielt werden muss. Zudem nehmen die Künstler bekannte Wort- und Satzfragmente von 1989 auf: "Freiheit und Einheit" oder "Wir sind das Volk", die als große Buchstabenmonumente begehbar - also belastbar geworden sind.
Es überrascht wenig, dass kaum bekannte Namen unter den Teilnehmen zu finden sind. Lediglich Gottfried Böhm, die Gruppe Graft oder Axel Schultes, der Erbauer des Kanzleramtes, kennt man. Vielen anderen Profis sind solche unsicheren Wettbewerbe suspekt, erst recht, wenn sie wie hier mit nationalem Pathos daherkommen. Schultes Denkmal aber ist mutig. Er entwarf eine überlebensgroße Baumskulptur aus Beton und gedenkt des bekannten Luther-Zitats vom Apfelbaum: "Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute einen Apfelbaum pflanzen."
Dass dem Thema ein großer Teil der Entwürfe skeptisch, ja ironisch-ablehnend begegnet ist, zeugt ebenfalls vom unsicherem Terrain des Ganzen: Blühende Landschaften und gigantische Goldbananen spielen mit den Sehnsüchten und Wünschen der jüngsten Einheitsgeschichte. Horst Hoheisel (Kassel) geht am weitesten: Er baut das alte Nationaldenkmal, auf dem das neue entstehen soll, einfach wieder im Original nach. Das passe am besten zum benachbarten blöden Schloss, so Hoheisel. H.-J. König (Berlin) ist anderer Meinung: "Kein Denkmal" lautet auf Papier die Inschrift einer Fahne, die ein verlorenes Strichmännchen hochhält.
Alles nur Papier? Wohl kaum. Wenn es eine Erkenntnis, ein Ergebnis aus dem gescheiterten Wettbewerb gibt, dann berührt sie den Ort der Veranstaltung. Der Sockel des alten Nationaldenkmals ist als Bühne für ein Denkmal ungeeignet. Zu starr, zu protzig und vor allem zu unflexibel und unnütz verhält er sich gegenüber den Entwürfen. Raum, Fläche und Kunstwerke verhalten sich nicht komplementär zueinander.
Kommt der zweite Anlauf?
Der Wettbewerb ist vorbei. Ein neues Verfahren sollte sehr gut und gedanklich vorbereitet sein. Auch die Frage, brauchen wir das überhaupt, wird gestellt werden müssen. Florian Mausbach jedenfalls, Präsident der Bundesbaudirektion und Jurymitglied, hält das Denkmal nicht für gescheitert: Nach einer "Denkpause" könnte ein zweiter Wettbewerb "mit anderer Strukturierung" angestrebt werden.
Wolfgang Thierse hat da seine Zweifel: "Ich weiß nicht, ob die Zeit schon reif ist." Vielleicht sei die Geschichte noch zu nah, um sie zu einem Denkmal werden zu lassen. Das klingt nachdenklich und ist sicher eine der besseren Antworten auf dieses Wettbewerbsverfahren gewesen.
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