die wahrheit: Hängt sie höher!

Neues Album, neue Tour: The BossHoss vergeht sich am Country.

Eigentlich waren wir auf einem guten Weg: Spätestens mit dem Erfolg der American Recordings von Johnny Cash in den Neunziger und allerspätestens mit dem Biopic "Walk The Line" kam Countrymusik auch hierzulande raus aus der Ecke, in die Bands wie Truckstop und Western Union oder Freaks, die mit Pistolenhalter am Gürtel durch die Gegend rannten, sie befördert hatten. Endlich konnte man sagen, man höre Country, ohne dass man angeschaut wurde, als hätte man nicht alle Latten am Zaun.

Doch leider riefen diese Erfolge auch Trittbrettfahrer auf den Plan, die mit Country so viel am Cowboyhut haben wie Mario Barth mit Humor. Die Berliner Band The BossHoss zum Beispiel, deren erste drei Albentitel schon zeigen, dass sie Klamauk statt Country im Schilde führt: "Internashville Urban Hymns", "Rodeo Radio" und "Stallion Battalion" kalauert, stab- und endreimt es da, als handelte es sich um Kabarettprogramme statt um Musik. Da nimmt es einen auch nicht weiter Wunder, dass ihr erster großer Hit ein Werbesong war - eine Countryversion des Langnese-Klassikers "Like Ice In The Sunshine".

Denn The BossHoss covern Songs so ehrenwerter Künstler wie den Beastie Boys oder Britney Spears in einem Stil, den sie selbst als "Trash Country Punk Rock" bezeichnen. Wobei er mit Punk so wenig zu tun hat wie mit Country. Denn Country ist mehr und vor allem etwas anderes, als Cowboyhüte aufzusetzen, "Yeehaw!" zu schreien und sich lustige Namen zu geben wie "Hank Williamson", "Hoss Power" oder "Boss Burns". Dass die beiden Bandleader Boss und Hoss ihre Konzertansagen ausschließlich auf Amerikanisch machen, versteht sich da fast schon von selbst - und die Band dies vermutlich als augenzwinkernd. Bei so viel nervösem Augengeklapper fehlen dann wirklich nur noch die Südstaatenflagge und die Trappertasse am Gürtel, um die Folklore perfekt zu machen.

Dass hier Marketing und Musik verwechselt werden, ist den zumeist weiblichen Fans im Online-Forum der Band egal. Sie interessieren sich eh vornehmlich dafür, wie man die Diashow auf der Homepage beim süßesten Foto anhalten kann und ob es demnächst einen Kalender der Jungs gibt. Denn mit ihren Stetsons, Sonnenbrillen und Feinripp-Unterhemden sind The BossHoss so etwas wie die Boyband für die gereifte Sekretärin - für Frauen, die es für emanzipiert halten, Männer "lecker" zu finden und ihre Alcopops aus der Flasche zu trinken.

Im Grunde machen The BossHoss nichts anderes als Western Union, Truckstop oder Gunther Gabriel, die für das Image von Country als "Schlager mit Cowboyhut" gesorgt haben. Mit dem Unterschied, dass The BossHoss eine Ballermann-Version daraus machen. Und auch wenn die Band mit Lassowerfern und Bullridern nichts zu tun haben will, wie sie in Interviews gern beteuert. Einen Auftritt in Hugo-Egon Balders "Peng - Die Westernshow" ließ sie sich trotzdem nicht nehmen. "Gute Laune" und "Spaß pur" jubelt denn auch das Musikfachmagazin Stern. Aber seit wann hat Country etwas mit Spaß zu tun? In der so traurigen wie tröstlichen Welt der Countrymusik geht es um Einsamkeit, Liebe, Tod, Zweifel - und, ja auch das: um Gott. Denn wo Gott ist, ist der Zweifel nicht fern. Und so ist jeder einsame Trinker am Tresen mehr Cowboy als diese siebenköpfige Karnevals-Country-Kapelle zusammen.

Nun erscheint also demnächst das vierte Studioalbum der Band: "Do Or Die" heißt es in gewohnt großsprecherischer Manier, und die Band kündigt an - o Graus! -, darauf fast ausschließlich eigene Kompositionen zu verbrechen. Einen Vorgeschmack auf den zu erwartenden Belanglosrock gibt die Single "Last Day", in deren Video die Musiker eine Motorradgang mimen, die durch die Wüste brettert. Oder, wie es im Metaphern-Cocktail auf der Bandwebsite heißt: "Die neue BossHoss-Mixtur knallt wie eine Peitsche und hat live doppelt Feuer im Tank." Wie gemacht also für alle Masochisten, die ihr Motorrad mit einem Kamin verwechseln.

Dabei gibt es durchaus deutsche Bands, die zeigen, wie es geht: Cow oder Julia A. Noack zum Beispiel, die im Übrigen beweisen, dass Country kein Männerding ist; Künstler wie Nils Koppruch oder Ed Csupkay, die zeigen, dass es sogar mit guten deutschen Texten geht. Kein Traditionalisten-Country, kein So-tun-als-ob - dafür eine dem Country und Folk verwandte deutsche Spielart. "Ich bin viel zu jung, um jetzt schon bei dir zu bleiben. / Ich mein, ich bin sehr gern allein", singt Gisbert zu Knyphausen auf seiner Debüt-CD und gibt damit eine zeit- und landesgemäße Interpretation des Cowboy-Daseins fern jeder Karl-May-Romantik.

Die Macho-Mucker von The BossHoss sollten ihre Stetsons dagegen tunlichst an den Nagel hängen und die Dinge tun, die ein Mann tun muss: ein Bier trinken zum Beispiel oder spazieren gehen. Oder, um es in einer Sprache zu sagen, die sie verstehen: "Sattelt die Hühner und macht, dass ihr wegkommt! Diese Stadt ist zu klein für uns beide."

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kari

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