Sticheleien und Scharmützel

DERBY Am Montagabend treffen sich Hertha BSC und der 1. FC Union zur Stadtmeisterschaft im Olympiastadion. Derweil wird das Aufeinandertreffen der beiden Fangruppen in der City West zum Fankrieg stilisiert

■ Serie: Hertha könnte mit einem Sieg oder einem Unentschieden auf ein halbes Jahr ohne Liga-Niederlage zurückblicken. Zuletzt verlor man am 12. August 2012 beim FSV Frankfurt.

■ Torflut: Hertha ist mit 41 Toren das treffsicherste Team der Liga, Union rangiert in dieser Wertung mit 33 Treffern auf dem dritten Platz. Riecht nach einem neuerlichen 4:4 im Olympiastadion.

■ Zahlen: Hertha hat einen Etat von rund 45 Millionen Euro, Union etwa 18. Hertha hat dafür aber auch einen Schuldenstand von 42 Millionen Euro, Union von geschätzten 15 Millionen Euro. Union hatte zuletzt 26.991 Likes bei Facebook, Hertha 138.848.

■ Wetten: Der Online-Wettanbieter BWin führte Hertha zuletzt bei einer Quote von 1,60 – für Union wurde 5,00 ausgegeben. Es kann aber noch zu Verschiebungen kommen. (jut)

VON JENS UTHOFF

Natürlich gilt es, jedes Wort genau abzuwägen – es ist schließlich Derbyzeit. Ist es noch Stichelei, schon Provokation? Sind es Giftpfeile, die in Richtung Charlottenburg geschossen werden, eine fiese verbale Grätsche aus dem Osten? Oder sind es vielmehr zärtliche Avancen zur gemeinsamen Anreise zu einem Fußballspiel? Das fragte man sich, als einige Union-Fans Anfang vergangener Woche ankündigten, sich vor dem Derby mitten im Hertha-Hoheitsgebiet zu treffen: am Breitscheidplatz.

Wenn die Stadtmeisterschaft ausgetragen wird, ticken die Gemüter ein bisschen anders. Am Montagabend um 20.15 Uhr trifft der Hertha Berliner Sport-Club von 1892 auf den 1. Fußballclub Union Berlin. Neben dem sportlichen Kräftemessen – nach den Auftaktsiegen beider Teams zum Rückrundenbeginn ein echtes Spitzenspiel – kommt es so auch zum prestigeträchtigen Aufeinandertreffen der Fangruppen.

Die Unioner wollen sich also an der Gedächtniskirche treffen, die Herthaner am Bahnhof Zoo. „Von Krawallen gehen wir nicht aus“, sagt Polizeisprecher Carsten Müller. Seitens der Polizei will man zumindest bestimmte Ultragruppen trennen. „Da, wo es erforderlich ist“, so Müller. Insgesamt werden am Montag 750 Beamte im Einsatz sein.

Die Fan-Scharmützel begannen Anfang vergangener Woche mit einem Flyer, auf dem die Union-Ultras vom Wuhlesyndikat ihr Treffen an der Gedächtniskirche in Anlehnung an das Vereinslied ankündigten: „Osten und Westen, unser Berlin“. Drei Ausrufezeichen dahinter. „Natürlich war das eine kleine Spitze gegen Hertha“, sagt Stefan, Gründungsmitglied der Wuhlesyndikatler, „aber mehr auch nicht.“ Die Herthaner kündigten daraufhin an, sich eine Stunde früher am Bahnhof Zoo zu treffen.

Um einen friedlichen Fußballtag zu erleben, sollen zuletzt einige Fangruppen aufeinander zugegangen sein. „Auf Ultra-Ebene gab es aber keine Gespräche“, sagt Stefan. Die Retourkutsche der Herthaner sei eher Motivation: „Das spornt uns ja eher an, dass möglichst viele von uns dahinkommen.“ Er hofft, dass es bis zu 5.000 Unioner werden.

Sportlich fast ebenbürtig

Fast scheint es, als symbolisiere die Ankündigung das gestiegene Selbstbewusstsein der Köpenicker: Sportlich ist man nahezu auf dem Weg zur Ebenbürtigkeit. Und Aktionen wie die Stadionaktien, mit denen der Umbau der Alten Försterei finanziert wird, der Protest gegen die Fan-Beschlüsse seitens der Deutschen Fußball-Liga und das Rekord-Weihnachtssingen machen die Unioner in Fußballkreisen beliebter denn je. Breiter ist die eiserne Brust selten gewesen.

Bisher hat man in Berlin keine Hamburger Verhältnisse – dort kommt es regelmäßig zu Übergriffen zwischen HSVern und St.-Paulianern. Hertha-Fanbeauftragter Donato Melillo verweist sogar auf die „freundschaftliche Verbindung“ der beiden Vereine zu Mauerzeiten. „Von daher hoffen wir natürlich alle, dass es friedlich bleibt.“ Gespräche der rivalisierenden Fans habe es gegeben: „Klar, die sprechen ja miteinander, da kennen sich viele, die leben ja in einer Stadt.“

Lin Gleß vom Fanclub United Colours Of Hertha sieht dem Treff in der City West gelassen entgegen: „Irgendwo müssen sich die Unioner ja auch treffen. Die sollen ruhig kommen, wir sind eh mehr.“ Die 27-Jährige stammt aus Ost-Berlin und findet das gegenseitige Bashing ohnehin eher nervig: „Mein Vater sagt immer ‚Es gibt nur zwei Meister an der Spree, Union und Hertha BSC.‘“ Sie sähe den Berliner Fußball lieber vereinter.

Für Aufregung sorgte zuletzt ein Transparent im Union-Block: „Hertha-Treff am Knabenstrich – alte Liebe rostet nicht.“ Die Provokation mit homophobem Anklang wurde von den Hertha Junxx, dem schwul-lesbischen Hertha-Fanclub, und der Aktion Libero deutlich kritisiert.

Sportlich verspricht das Spiel dank des Aufwärtstrends beider Teams viel Spannung. Beim vierten Stadtderby der Zweitliga-Geschichte will sich Hertha zudem für das 1:2 vor zwei Jahren revanchieren. Union könnte mit einem Sieg ernsthafter Aufstiegsanwärter werden. Den Köpenickern fehlt Mittelfeldspieler Michael Parensen, bei Hertha könnten Peer Kluge und Kapitän Peter Niemeyer ausfallen. 74.244 Zuschauer werden das Match sehen. Auf dass der Stadtmeister gekürt werde – auf dem Platz .