piwik no script img

Werder Bremens Gegner DonezkReiche Jungs, schwere Jungs

Dass Schachtjor Donezk am Mittwoch gegen Bremen den Uefa-Cup gewinnen kann, zeigt den nicht unproblematischen Aufschwung des ukrainischen Fußballs.

Die Spieler von Schachtjor Donezk jubeln nach ihrem Uefa-Cup-Halbfinalsieg gegen ihre Landsleute aus Kiew. Bild: dpa

Aus Uefa-Cup wird Europa League

Der Sieger des letzten UEFA-Cupfinals zwischen Werder Bremen und Schachtjor Donezk ist automatisch für die Gruppenphase der neu geschaffenen Europa League in der kommenden Saison qualifiziert. Wie die Europäische Fußball-Union (UEFA) am Dienstag in Istanbul weiter bestätigte, kassiert der Champion eine Siegprämie von 2,5 Millionen Euro. Zum Vergleich: Allein die Teilnahme an der lukrativeren Champions League bringt jeder Mannschaft eine garantierte Einnahme von 15 Millionen Euro. Eine neue Trophäe wird es nach UEFA-Informationen in der Europa League nicht geben. Schachtjors Club-Besitzer Rinat Achmetov hatte gehofft, beim Gewinn des Endspiels den Pokal für immer behalten zu dürfen.

Auch die schweren Jungs von Donezk sollen nun eine Chance bekommen. Zumindest theoretisch. Wenn sie wollen, können sie auf die Fußballschule gehen. Auf diese Weise hofft man, die Kids von der Straße zu holen. Denn sonst sind die Angebote zu vernünftiger Freizeitgestaltung in den Arbeiterslums der Industriemetropole im Osten der Ukraine eher Mangelware. Und die Eltern haben oft dringlichere Aufgaben zu lösen, als sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen. Auch in Donezk ist die Wirtschaftskrise angekommen. Selbst wenn die Männer noch Arbeit haben, und die ist in der Regel hart und unter Tage, haben die Frauen Schwierigkeiten, die Familien durchzubringen. Donezk ist das wichtigste ukrainische Bergbaurevier, außerdem gibt es Stahl- und Chemieindustrie. Der gesamte Osten des Landes wird durch die Schwerindustrie geprägt. Und die wird im Moment arg gebeutelt.

Die Fußballschulen sind da zumindest ein Hoffnungsschimmer. Finanziert werden sie durch den FC Schachtjor Donezk, also faktisch von Rinat Achmetow, dem reichsten Mann der Ukraine. Sein milliardenschweres Wirtschaftsimperium, zu dem Bergwerke, Stahlbetriebe, Maschinenbauunternehmen, aber auch Telekommunikationskonzerne und Dienstleistungsunternehmen gehören, hat er seit Mitte der Neunzigerjahre Stück für Stück aufgebaut. Manchmal auch mit dubiosen Methoden.

Schachtjor Donezk gehört ebenfalls zu Achmetows Imperium, seit 1996 ist er hier Präsident. Doch mit Schachtjor verdient der 42-jährige Tatare kein Geld. Fußball ist seine große Liebe. Auch die Fußballschulen zu fördern soll seine Idee gewesen sein. Vielleicht wird so ja auch ein neues Talent entdeckt.

Auf ihre Mannschaft sind die Donezker besonders stolz. Im letzten Jahrzehnt ist Schachtjor zu einem ernsthaften Rivalen für Dynamo Kiew geworden. Dreimal hat die Elf aus dem Kohlerevier die nationale Meisterschaft gewonnen, viermal den Pokal. In dieser Saison hat Dynamo zwar wieder einmal die Nase vorn - die Kiewer sind vorzeitig ukrainischer Meister geworden. Doch die Begeisterung in Donezk kannte keine Grenzen, als Schachtjor den Erzrivalen im Halbfinale des Uefa-Pokals ausschalten konnte. Heute kann die Mannschaft im Finale von Istanbul (20.45 Uhr, Sat.1.) gegen Werder Bremen sogar den Cup gewinnen.

Freilich kann sich Dynamo Kiew auf längere Traditionen berufen. 13-mal gewann Kiew die sowjetische Meisterschaft, und die Rivalität mit den Moskauer Klubs hatte in der Sowjetunion nicht nur einen sportlichen, sondern auch einen politischen Hintergrund. In den Siebzigerjahren war Dynamo international erfolgreich und gewann 1975 sowohl den Uefa-Pokal als auch den Europäischen Supercup. In den Achtzigern war der Verein das Rückgrat für die sowjetische Elf, die 1986 bei der Fußball-WM in Mexiko nahezu ausschließlich aus Dynamo-Akteuren bestand. Und auch in den Neunzigern mussten sich schon mal Real Madrid, Arsenal London oder AS Rom gegen die Jungs aus Kiew geschlagen geben. Seit dem Ende der Sowjetunion holte Dynamo 13-mal die ukrainische Meisterschaft. Umso bitterer ist es für die Kiewer, dass nach dem ersten internationalen Titel seit der Unabhängigkeit nicht Dynamo, sondern Schachtjor greift.

Ähnlich wie bei Schachtjor gibt es bei der Privatisierung des erfolgreichsten ukrainischen Fußballklubs viele dunkle Seiten. Und ähnlich wie der Erzrivale aus Donezk hat auch Dynamo Kiew seine eigene Fußballschule, auch hier haben die reichen und einflussreichen Männer das Sagen. Wie in allen anderen ukrainischen Klubs auch. Denn heute ist es Mode geworden unter den milliardenschweren Oligarchen, ihr unternehmerisches Portfolio mit Fußballklubs zu schmücken. Ob in Lemberg oder in Odessa, in Charkow oder in Poltawa: Überall entstehen neue Trainingszentren und Fußballschulen, ausländische Spieler werden gekauft, auf die Spielergebnisse wird gewettet und auch die Zuschauer strömen zunehmend in die Stadien. Vor allem Brasilianer sind beliebt bei den Vereinsverantwortlichen: Nicht selten kommt es vor, dass in einem Ligaspiel allein die Südamerikaner Tore schießen.

Trotz des Aufschwungs aber bleibt Fußball für die Klubbesitzer vor allem ein teures Hobby und Statussymbol. Geld verdienen kann man mit den meisten Mannschaften der ukrainischen Liga nicht. Doch die Investitionen zeigen Wirkung, der ukrainische Fußball gewinnt wieder an Schwung.

Diesen Schwung auch bei den Vorbereitungen für die Europameisterschaft 2012 aufzubringen, die bekanntlich ja in Polen und in der Ukraine stattfinden soll, fällt dem Land dagegen äußerst schwer. Lange Zeit haben politische Querelen die Arbeiten blockiert. Die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur, der Bau von Stadien und Hotels gingen nur schleppend voran. Bis heute steht nur Kiew als Austragungsort fest, dabei ist noch nicht einmal sicher, ob das Finale wie geplant in der ukrainischen Hauptstadt stattfinden kann. Lemberg, Donezk und Charkow haben eine Schonfrist bis Ende November bekommen. Bis dahin müssen diese Städte erhebliche Fortschritte bei der Modernisierung der Flughäfen, beim Hotelbau (Donezk und Charkow) und beim Stadionbau (Lemberg) vorweisen. Sonst müssen die schweren Jungs womöglich auf das Ereignis Europameisterschaft verzichten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!