Kolumne CannesCannes: Der beste Regisseur der Welt

Lars von Trier zeigt in Cannes seinen Film "Antichrist" und hält sich für den besten Regisseur der Welt. Aber auch sonst ist einiges los auf dem Festival.

Eigentlich wirkt er ja ganz bescheiden, der "beste Regisseur der Welt" Bild: ap

Erste Frage bei der Pressekonferenz zu "Antichrist": "Herr von Trier, bitte erklären und rechtfertigen Sie, warum Sie diesen Film gemacht haben", fordert ein Journalist aus den USA. "Und bitte lassen Sie sich dazu mehr als einen Satz einfallen." Der Tonfall ist offensiv, von Trier wirkt angegriffen. Er sucht nach Worten.

"Ich möchte auf diese Frage nicht antworten", sagt er nach einer Weile und schaut dabei auf den Tisch vor sich. Selbst als er behauptet, der "beste Regisseur der Welt zu sein", wirkt er kleinlaut.

Die Angespanntheit weicht nicht von ihm, bis eine Journalistin wissen will, was er mit der Szene, in der die von Charlotte Gainsbourg gespielte Protagonistin sich selbst die Klitoris abschneidet, beabsichtigt habe. Da antwortet von Trier, der Scharlatan: "Das war schwierig, Charlotte musste sich sorgfältig vorbereiten, da wir die Szene nur ein einziges Mal drehen konnten." Charlotte Gainsbourg sitzt neben ihm und lächelt.

Auf solche "Shock and awe and joke"-Methoden vertrauen in diesem Jahr einige Filme im Wettbewerb. Brillante Mendozas "Kinatay" etwa wird seinem Titel, der Massaker bedeutet, gerecht, doch anders als von Trier macht der philippinische Regisseur keine Witze, wenn er seinen Figuren Macheten in die Hand gibt.

Gut für die versehrten Nerven, dass es in den Nebenreihen beschaulicher zugeht. Zum Beispiel in Hong Sang-soos "Like You Know It All", einem Beitrag zur "Quinzaine des Realisateurs", und in Mia Hansen-Loves "Le pere de mes enfants" (in der Reihe "Un certain regard"). Beide Filme handeln von Filmemachern.

Der südkoreanische Regisseur erfindet eine Figur, die ihm in vielem ähnelt, den Filmregisseur Ku. Dessen Werk findet zwar im Ausland Fans, in seinem Heimatland aber stößt es auf Unverständnis. Ku wird in die Jury eines Provinzfilmfestivals eingeladen. Weil er etwas Ungeschicktes hat, richtet er bei den Empfängen, Abendessen und vor allem bei den nicht enden wollenden Trinkgelagen, die Hong Sang-soo so gerne filmt, einiges Unheil an. Die anderen Figuren sind derweil glücklich, in ihm jemanden zu finden, den sie für ihr Unheil verantwortlich machen können.

Mit feiner Komik erfasst Hong Sang-soo die Rivalitäten und die Begehrlichkeiten, die Eifersucht und die Verstimmungen, die Höflichkeiten und die jähen Wutausbrüche. Nach etwa einer Stunde verlässt der Film den Schauplatz des Filmfestivals, um eine fast identische Konstellation anderswo von vorn durchzuspielen. "Like You Know It All" schafft Raum für den subtilen Genuss von Wiederholung und Variation.

Der Protagonist von "Le pere de mes enfants" heißt Gregoire Canvel (Louis-Do de Lencquesaing) und ist Filmproduzent. Wer Pate für ihn stand, liegt auf der Hand: Humbert Balsan, ein unabhängiger Pariser Produzent, der mit Regisseuren wie Bela Tarr, Claire Denis oder Youssef Chahine arbeitete. Nachdem er mehrere Millionen Euro Schulden angehäuft hatte, erhängte er sich im Februar 2005.

Der Film freilich hört nicht mit seinem Tod auf, er fängt danach, befreit von den wirklichen Ereignissen, noch einmal an. Für die Trauer und die Verlassenheit der Familie, vor allem für die der drei Töchter, findet Mia Hansen-Love stimmige Bilder. Wie Hong Sang-soo legt die junge Pariser Filmemacherin ein großes Gespür dafür an den Tag, wie man widerstreitende Gefühle auf die Leinwand bringt. Ganz ohne Spektakel.

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