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EnergiepolitikSPD verkohlt Klimaschützer

Mit seinen Auflagen für neue Kohlekraftwerke kann sich Umweltminister Sigmar Gabriel zunächst nicht gegen die Kohle-Fans in seiner Partei durchsetzen.

Seine Vorlage ist Umweltschützern zu missverständlich: Umweltminister Sigmar Gabriel. Bild: dpa

Niederlage für Sigmar Gabriel: Die SPD-Programmkommission, die im Auftrag des Parteivorstands über alle Änderungsanträge zum Wahlprogramm entscheidet, hat den Vorschlag des Umweltministers zur künftigen Kohle-Politik nicht angenommen. Gabriel will im SPD-Wahlprogramm festschreiben, dass neue Kohlekraftwerke, die noch nicht im Bau sind, künftig nur noch genehmigt werden, wenn sie mit der sogenannten CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zum Abtrennen und Lagern des klimaschädlichen Kohlendioxids ausgerüstet sind (taz von Samstag). Zusammen mit weiteren Auflagen wie langfristigen Reduktionszielen und dem Vorrang für Strom aus erneuerbaren Energien würden zusätzliche Kohlekraftwerke damit faktisch verhindert.

Vor allem im Kohle-Land Nordrhein-Westfalen war die Empörung groß. Die Landesvorsitzende Hannelore Kraft erklärte, sie unterstütze den ursprünglichen Programmentwurf des Parteivorstands. Dieser lässt offen, wie lange noch neue Kohlekraftwerke ohne CCS gebaut werden dürfen. Auch die Stromkonzerne, die teils enge Kontakte zur SPD pflegen, sollen über Gabriels Vorstoß wenig erfreut gewesen sein. Die Branche geht davon aus, dass die CCS-Technik vor 2020 keinesfalls großtechnisch einsetzbar sein wird. Zudem gilt sie als sehr teuer. "Wir halten es für richtig, Technologien wie CCS frühzeitig zu erproben", sagte ein Sprecher von RWE der taz. "Ob sich CCS aber am Markt durchsetzen wird, hängt von vielen Faktoren ab, etwa wie sich die Preise für Strom und oder für CO2 ab 2020 entwickeln." Der Anbieter Eon, der ebenfalls neue Kohlekraftwerke plant, äußerte sich auf Anfrage nicht.

Unterstützung erhielt Gabriel hingegen von Umweltpolitikern der Partei. "Es ist richtig, den Neubau von Kohlekraftwerken über den Emissionshandel hinaus ordnungsrechtlich zu begrenzen", sagte der SPD-Klimaexperte Frank Schwabe. Auch SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber steht grundsätzlich hinter Gabriels Vorstoß. Er interpretiert den Text allerdings so, dass die CCS-Technik erst dann vorgeschrieben werden soll, wenn sie großtechnisch verfügbar ist. Gabriel hatte gegenüber Umweltverbänden hingegen erklärt, alle Kraftwerke, die derzeit noch nicht im Bau sind, sollten die Technik anwenden.

Die Verbände drängen darum nun auf eine Klarstellung. In einem gemeinsamen Brief an Gabriel fordern BUND, WWF, Nabu, Deutsche Umwelthilfe und andere eine "unmissverständliche Aussage" im Parteiprogramm. Es sei von entscheidender Bedeutung, keine neuen klimaschädlichen Kohlekraftwerk mehr zu genehmigen. "Wir würden es sehr begrüßen, die SPD in dieser Frage in Zukunft an unserer Seite zu haben." Die Chancen dafür stehen nach dem Votum der Kommission aber nicht gut. Endgültig entschieden wird beim SPD-Parteitag am 14. Juni.

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12 Kommentare

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  • A
    Altmärker

    Zu den unsinnigen Vorhaben der RWE zum Bau neuer Kohlekraftwerksmonster gibt es genügend Alternativen. Biomasse,Wind- und Sonne sind da schon im Vormarsch. Wobei die beiden letztgenannten leider auch nicht die effektivsten sind. Bleibt also nur Biomasse. Für ländliche Regionen wie die Altmark und für Ihre Landwirte die Chance für ökologische Energie-Produktion. Denn das in den BHKW verbrannte und zu Strom umgewandelte Gas,erzeugt nur soviel schädliches CO2, wie es im laufe seiner Produktion , also von der Maispflanze oder dem Baum in sich selber gespeichert hat. ( Photosynthese )

    Sogar die anfallende Abwärme kann sinnvoll für die Beheizung ganzer Regionen genutzt werden.

    Oder es werden Gwächshäuser, Trocknungsanlagen oder sonstiges damit betrieben.Das das funktioniert kann ich bestätigen denn unser Ort wird schon seit zwei Jahren von einem Energie-Bauern mit komfortabler Wäre aus seinem BHKW beliefert.

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    @ vic: Die CDU würde ich vielleicht schon wählen, aber nur in Portugal :o))

     

    (dort ist das eine Abkürzung für ein 'links-grünes' Bündnis)

     

    Im Ernst: Schon irgendwie richtig, nur leider ist auch die Mehrheit der Garnichtwählenden eher auf Seiten der deutschen C-Parteien, der F-Partei und noch weiter politisch quasi 'rechts' liegenden, so dass die gesamte Mehrheit auch wohl leider nicht viel gegen Kohle- oder Atomkraftwerke hat.

     

    @ Peter: Auch ohne Klimakatastrophe, egal wie weit durch menschliche Aktivitäten verursacht, wäre eine Energierevolution wichtig, v. a. um von der Atomenergie wegzukommen, aber auch Erdöl ist z. B. viel zu schade, um es zu verbrennen (wäre für Chemie viel wichtiger) und Kohlekraftwerke emittieren unter anderem Quecksilber!

     

    Die von Bern Walliser erwähnten Sonnenschmelzöfen wären daher tatsächlich eine gute Option, um Energie zu sparen.

     

    Auch würden übrigens schon allein - nur als Beispiel - die bis zu 200 m tiefen italienischen Hoheitsgewässer des Mittelmeeres ausreichen, um dort mit solarmodulüberdachten Wellenkraftanlagen den gesamten Strombedarf der EU zu decken!

     

    (was nicht heißt, dass ich so ein zentralistisches Konzept optimal fände, aber in diese Richtung zu gehen, wäre auch ohne Klimawandel ratsam).

  • T
    thiotrix

    @ treba

    „aus einem kohlelobbyforum kopiert?“

    Haben Sie sich mal überlegt, warum die Menschheit die Dampfmaschine erfunden hat und damit die auch so umweltfreundlichen Wassermühlen, Windmühlen und Segelschiffe ersetzt hatte? Da steckte wohl auch die Kohlelobby dahinter – und ein ganz besonders perfider Agent dieser Lobby von Bösewichten war sicher James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine! Ich hoffe nur, daß die blindwütige Agitation von Grünen, Linken und Teilen der SPD gegen Kohlekraftwerke den zwingend gebotenen Neubau moderner Kohlekraftwerke mit hohem Wirkungsgrad nicht allzusehr behindert.

    Die einzige fossile Energiequelle, die vor Ihren Augen wohl Gnade findet, ist das Erdgas, dessen Anteil an der Stromversorgung von derzeit 12 % dramatisch ansteigen muß, um Kohle- und Kernkraftwerke zu ersetzen. Erdgas ist in der Tat der sauberste und effizienteste fossile Energieträger, der aber schon beim jetzigen Preisniveau nicht wirtschaftlich einsetzbar ist im Grundlastbereich, der Domäne für Kohle- und Kernkraftwerke. In Zukunft ist mit drastischen Preissteigerungen zu rechnen, zumal die Erdgasvorräte viel schneller als Öl und Kohle erschöpft sein werden. Zugleich ist Erdgas ein wertvoller Rohstoff für die chemische Industrie, der zum Verbrennen eigentlich viel zu schade ist. Allein schon aus diesem Grund sind Gaskraftwerke unsinnig.

    „Ein durchschnittlicher deutscher emitiert immernoch das zigfache von einem durchschnittschinesen.“ Der Durchschnittschinese emittiert 4 t CO2 pro Jahr, der Durchschnittdeutsche 10 t, also das 2,5fache. In absoluten Zahlen: Deutschland 880 Millionen t CO2 pro Jahr, China, 4,9 Milliarden. In Deutschland ist der pro-Kopf-Verbrauch an Energie seit 30 Jahren nicht mehr gestiegen, in den letzten 20 Jahren sogar leicht gesunken. Innerhalb der nächsten 30 Jahre wird sich der chinesische Energieverbrauch aber noch einmal verdoppeln! Und die Vorstellung, Metropolen wie Peking, Shanghai oder Chongqing mit jeweils bis zu 20 Millionen Menschen mit Wind- und Sonnenstrom zu versorgen, ist absolut lächerlich.

  • P
    Peter

    Im Prinzip hilft doch nur noch beten, dass die traditionelle Energie Lobby recht hat, der Mensch nicht den Klimawandel verusacht und es schon nicht so schlimm kommen wird.

    Ich bin nicht dieser Meinung, aber diese Blamage wäre mir das Wohl unseres Planeten und der Menschen mehr als wert!

  • BW
    Bern Walliser

    Extrem klimaschädigendes Lachgas, das z. B. bei Überdüngung von Feldern frei wird, ist auch nicht zu vergessen! Zu reduzieren wäre es z. B. durch strenge Überprüfung der Einhaltung der Werte bzgl. Überdüngung der Felder (die es ja sogar gibt).

     

    Reduzierung des Fleischkonsums würde ebenfalls klimaschädliche Emissionen reduzieren, z. B. Methan der Rinder, aber auch wegen Zerstörung von Wäldern z. B. für Futtermittel (Soja etc.)

     

    Riesige Mengen CO2 liessen sich ebenfalls einsparen, indem einige Hochenergie-Industrien wie Metallverarbeitung (Stahlherstellung etc.) und Zementherstellung (für Beton etc.) u. a. nach Südeuropa verlegt und dort mit solarthermischen Kraftwerken betrieben würden, bzw. (z. B. im Falle der Stahlindustrie) teilweise auch mit Solarschmelzöfen, vgl. etwa http://de.wikipedia.org/wiki/Solarschmelzofen

     

    Die dann noch nötige Menge Nachtstrom kann z. B. in Zukunft leicht durch offshore Wellenkraft, Windkraft, Geothermie, Biomasse und Pumpspeicherkraftwerke, tagsüber aufgeladene Akkus, Brennstoffzellen etc. gedeckt werden.

  • BW
    Bern Walliser

    @ treba: 'stimme deinem reply auf thiorix zu. der macht ausserdem noch einen weiteren fehler, nämlich nur die vollaststunden von windkraft etc zu zählen und nicht die teillaststunden ebenfalls.

  • G
    greg

    nicht die EU CCS Richtlinie vergessen..SPD und taz journalisten sollen ein bisschen besser recherchieren...

  • T
    treba

    @thiorix:

    aus einem kohlelobbyforum kopiert? Aber seis drum, ich geh trotzdem drauf ein.

     

    Es ist richtig, dass das deutsche stromnetz derzeit noch extrem erneuerbare-enegien-feindlich ist. Es gibt zu wenig speichermöglichkeiten für überschüssigen strom, allgemein ist das netz auf großkraftwerke ausgelegt.

    Deshalb ist es wichtig, dass wir (neben in ee) in kleine, schnell hoch- und runterfahrbare gaskraftwerke investieren, weil diese in der lage sind, auf schwankungen schnell zu reagieren (und nebenbei lässt sich bei solchen kraftwerken auch ein extrem hoher wirkungsgrad durch kraft-wäre-kopplung erzeugen, oft über 80%).

    Große kohlekraftwerke sind genau das gegenteil von dem, was wir für die zukunft brauchen, weil sie träge, also für ein zusammenspiel mit ee nicht geeignet, sind.

     

    Was das argument mit der ersetzung alter kraftwerke durch neue angeht, ist dieses auch totaler blödsinn, da neue kraftwerke immernoch einen extrem geringen wirkungsgrad haben, also ein recht geringer gewinn für die umwelt sind, auf der anderen seite aber mindestens 50 jahre laufen werden, da sich ihr bau sonst nicht refinanziert. Soll heißen, dass diese schmutzige, verschwenderische und alles andere als zukunftsweisende technologie auf die jahrzehnte festgeschrieben wird, in denen wir eigentlich die enegietechnische wende herbeiführen wollen und müssen.

     

    Und was china angeht, sollten wir uns freuen, dass sie die kraftwerke jetzt erst bauen und uns umsomehr anstrengen, selber sauberer zu werden. Ein durchschnittlicher deutscher emitiert immernoch das zigfache von einem durchschnittschinesen. Wir sollten also endlich mal von unserem hohen ross runter kommen und nur soviel emitieren, wie uns die natur zugesteht, also ca. ein zehntel von unserem jetzigen wert. Denn nur dann können wir überhaupt den finger auf china richten.

    China hat ein recht, pro kopf genauso klimaschädlich zu sein wie wir. Zeigen wir ihnen doch, was wir uns darunter vorstellen.

     

    Die natur gibts nur einmal, wird sie weiter zerstört kommt mehr auf uns zu als höhere stromkosten.

  • N
    NRW-ler

    Die SPD in NRW hört anscheinend immer noch auf Herrn Clement im Hintergrund. Sie sollte lieber in die Rolle des Vorreiters für wirklich Umweltschonende Technologien schlüpfen. Dann könnte sie auch wieder eigenes Profil zeigen und Wähler für sich begeiern. In Kohlefragen scheinen die Sozis momentan konservativer als die CDU..und wenns konservativ sein soll wählt man doch gleich das Original und nicht die Fälschung.. :-P

  • TB
    Tim Buktu

    Anstatt eine einmal ökologisch richtige und sinnvolle ("zukunftsweisende") Entscheidung ihres Umweltministers zu kritisieren sollte der SPD-Pateitag dafür sorgen, dass sein eigener Beschluss über das Tempolimit in Deutschland endlich umgesetzt wird und nicht eines Tages wegen Altersschwäche in Vergessenheit gerät.

  • V
    vic

    Will noch immer jemand hier SPD wählen, oder gar CDU, FDP?

    Leute, wechselt doch wenigstens endlich zu Ökostrom-Anbietern. Das immerhin, können wir noch selbst leisten.

    Kohle und Kernkraftwerke wird es erst dann nicht mehr geben, wenn sie für die Betreiber nicht mehr profitabel sind. Und diesen Zeitpunkt bestimmen letztlich wir.

  • T
    thiotrix

    CCS-Technik (Kohlendioxid-Speicherung) ist absoluter Schwachsinn!

    Wie ein Licht in tiefster Finsternis gibt es doch gelegentlich einen Hauch von Vernunft selbst in der SPD! Die CO2-Speicherung ist eine völlig unsinnige Idee, weil dadurch der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken um ca. ein Drittel sinkt, von 45-48% auf ca. 30 %. Das einzige, was dadurch erreicht wird, ist ein schnellerer Verbrauch der Kraftwerkskohle und eine deutliche Erhöhung des Strompreises – und die zeitliche Reichweite der Kohle würde um ein Drittel schrumpfen! Gegenwärtig liegt der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken in Deutschland im Durchschnitt bei 38 %, in den USA bei 35 % und weltweit bei 30 %. Wichtigstes Ziel sollte es sein, die älteren Anlagen durch solche auf dem neuesten Stand der Technik zu ersetzen. Forschungsmittel sollten für eine Steigerung des Wirkungsgrades eingesetzt werden (Stichwort: 700°C-Kraftwerk, eine technische Herausforderung ersten Ranges!). Es ist schwer vorstellbar, das andere Länder dem deutschen Irrweg der CO2-Abscheidung folgen werden! Es sei daran erinnert, daß im Jahre 2006 allein ein China 174 (in Worten: einhundertvierundsiebzig!) Kohlekraftwerke neu ans Netz gegangen sind und in 2007 noch ca. 120 weitere. Wie ist da wohl der Wirkungsgrad – und planen die Chinesen eine CO2-Abscheidung? Mit Sicherheit nicht – für so eine völlig unsinnige Idee würde dieses Land wohl keine Mittel verschwenden!

    Zur Stromerzeugung durch erneuerbare Energien: dieses deutsche Wohlstandshobby funktioniert doch nur, weil Kohle- und Gaskraftwerke immer als Reserve-Energielieferanten bereitstehen, um bei Flaute oder fehlender Sonneneinstrahlung (soll besonders nachts regelmäßig vorkommen) die fehlende Energie zu liefern. Ein Jahr hat 8760 Stunden, an denen rund um die Uhr Strom erzeugt werden muß. Sonnenkraftwerke liefern ca. 1000 Stunden Vollast-Strom, Windkraftwerke 2000 Stunden, das aber völlig unregelmäßig und unplanbar. Volkswirtschaftlich ist das kolossaler Blödsinn, auf eine solche Flackerstrom-Versorgung zu bauen und dafür jedes Jahr größere Milliardenbeträge auszugeben! Ökologisch ist es eine Katastrophe, wenn man sieht, wie unser Land mit gigantischen Windparks zugebaut wird und selbst Landstriche, an denen 200 Jahre Industrialisierung spurlos vorübergegangen sind, mit über 100 m hohen Windkraft-Monstern verschandelt werden.