72 Tote bei Anschlag in Kirkuk: Autobombe explodiert vor Moschee

Die irakische Ölstadt ist zwischen Arabern, Kurden und Turkmenen umstritten. Letztere fordern Schutz von der Regierung.

Lassen ihrer Trauer freien Lauf: Verwandte eines Opfers. Bild: ap

ERBIL taz | Mit Spaten und einfachen Geräten haben Freiwillige und Polizisten am Sonntag nach Opfern des schweren Autobombenanschlags in der Nähe der umstrittenen Ölstadt Kirkuk im Nordirak gesucht. "Es werden noch immer 20 Personen vermisst", sagte ein Helfer telefonisch gegenüber der taz. Die Suche werde dadurch erschwert, dass den Helfern keine Bagger zur Verfügung stünden, um die Trümmer wegzuräumen.

Kurz nach dem Mittagsgebet war vor einer schiitischen Moschee in der Ortschaft Taze bei Kirkuk am Samstag ein mit Sprengstoff bepackter Lastwagen explodiert. Durch die Schwere der Explosion wurden Dutzende von Häusern in der Umgebung der Moschee zerstört. Laut den Behörden forderte der heimtückische Anschlag bislang 72 Tote und mehr als 200 Verletzte. Zahlreiche Verletzte, die in das größte Krankenhaus in Kirkuk eingeliefert wurden, befanden sich am Sonntag jedoch weiterhin in kritischem Zustand. Die Regierung in Ankara hat angeboten, die Schwerverletzten zur Behandlung in die Türkei fliegen zu lassen.

Die Mehrheit der Bewohner von Taze, das rund 20 Kilometer südlich von Kirkuk liegt, sind schiitische Turkmenen, viele von ihnen hatten unter den Repressionen des Saddam-Regimes gelitten und kehrten erst nach dessen Sturz im Jahr 2003 in den Irak zurück. In den umliegenden Dörfern leben jedoch vor allem sunnitische Araber und Kurden.

Zwischen den drei größten Gemeinschaften des Irak tobt seit Jahren ein erbitterter Kampf um die Zukunft der erdölreichen Region. Wie die Araber lehnen auch die Turkmenen den Anschluss von Kirkuk an den kurdischen Teilstaat im Norden ab, den die Kurden fordern. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.

Ein amerikanischer Militärsprecher warnte kürzlich davor, dass die Terrorgruppe al-Qaida in der Region verstärkt Jugendliche für Anschläge rekrutiere, um den Konflikt zwischen Arabern, Kurden und Turkmenen anzuheizen. Tahsin Kahya, der prominenteste Vertreter der schiitischen Turkmenen in Kirkuk, machte am Sonntag al-Qaida für den Anschlag verantwortlich. "Die Opfer waren ausschließlich Zivilisten", sagte Kahya. "Al-Qaida hat sie nur angegriffen, um den religiösen und ethnischen Hass im Irak zu schüren." Der Konflikt um Kirkuk könne nur im Dialog zwischen Turkmenen, Arabern und Kurden gelöst werden. Der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani, selbst ein Kurde, stellte einen Sonderfonds für die Angehörigen der Opfer bereit.

Viele Turkmenen und Araber in Kirkuk zweifeln freilich an der Kompromissbereitschaft der Kurden. Sie fürchten, dass nach dem Abzug der Amerikaner aus den irakischen Städten ein Vakuum entsteht, in das die Kurden vorstoßen könnten, die heute die Sicherheitskräfte in Kirkuk dominieren. Der Abzug muss bis zum 30. Juni abgeschlossen sein. Zwar werden US-Soldaten auch danach am Flughafen von Kirkuk stationiert sein, sie können im Konfliktfall aber nur noch auf Verlangen der Iraker eingreifen. Turkmenen und Araber haben deshalb von der Regierung in Bagdad eine Verstärkung der Armee in Kirkuk gefordert. Die Kurden lehnen das jedoch ab.

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