Kommentar Iranpolitik Netanjahus: Kontraproduktive Solidarität

Ob Netanjahus Appell zu freien Wahlen in Teheran der Sache dient, darf bezweifelt werden.

Es ist Zeit für weltweite Kundgebungen der Solidarität mit der Opposition im Iran, die so tapfer den Kopf hinhält für ein Leben in Freiheit. Zumindest im Westen dürfte ein Konsens über den Wunsch bestehen, dass die iranischen Demonstranten ihr Ziel bald erreichen und dass auf dem Weg dorthin kein Blut mehr fließt. Die Solidaritätsbekundungen sollten jedoch von unten kommen, von den Völkern, nicht von den Regierungen, und schon gar nicht von der Regierung Israels.

Natürlich hat Premierminister Benjamin Netanjahu Recht, wenn er das iranische Regime, in dessen Auftrag Polizisten auf Zivilisten einprügeln, sie verhaften, foltern und erschießen, kritisiert. Nur ob sein Appell zu freien Wahlen in Teheran der Sache dient, darf bezweifelt werden. Völlig zu Recht hielt sich Barack Obama lange zurück und vermeidet bis heute, eindeutig Partei zu beziehen. Die offene Sympathie vom Chef einer Regierung, die wiederholt mit einem Präventivschlag gegen den Iran gedroht hat, wenn dessen Atomforschungsprogramm nicht auf Eis gelegt wird, kann nur kontraproduktiv sein.

Illusorisch ist außerdem zu denken, dass mit einer Wende in Teheran die Atombedrohung automatisch beigelegt sei. Auch Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi würde das Forschungsprogramm vorantreiben, wenngleich unter veränderten Bedingungen. Den Demonstranten jedenfalls geht es erst einmal um ihre Wahlstimmen und Demokratie, nicht um das Atomforschungsprogramm.

Die iranische Opposition dürfte vom Gesprächsangebot Netanjahus vorläufig wenig beeindruckt sein. Seine Angriffe gegen das persische Regime aber sind Wasser auf die Mühlen ausgerechnet derer, die er bekämpft. Denn für das Regime steht fest, dass die Proteste eine Verschwörung des Feinds, der Zionisten, sind. Netanjahu kann Solidarität mit der Opposition empfinden, nur sollte er sie besser für sich behalten.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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