Impuls mit halber Wirkung

Das NRW-Festival der freien Theater im deutschsprachigen Raum kämpft ums Überleben. Nach 15 Jahren Erfolg sollen die „Impulse“ halbiert werden. Die Macher wehren sich mit allen Mitteln

VON PETER ORTMANN

Noch hat das diesjährige Festival der freien Theater in Nordrhein-Westfalen nicht begonnen, da ist das nächste bereits in aller Munde. 2006 sollen die „Impulse“ gar nicht stattfinden, danach nur noch alle zwei Jahre. Heute entscheidet in Neuss die Kulturdezernenten-Konferenz des NRW-Kultursekretariats nicht nur über die angestrebte Halbierung, sie wird auch einen neuen Leiter präsentieren. „Auch der wird den neuen Rhythmus vertreten“, sagt Sekretariats-Direktor Christian Esch in Wuppertal, wo die theatertragenden Kommunen des Landes zusammengeschlossen sind. Aus inhaltlichen Gründen werde dies der neue Impulse-Chef tun, fügt Esch schnell hinzu, Bedingung für den Job sei das natürlich nicht gewesen.

Die neue Taktfrequenz des renommierten NRW-Festivals haben die vier veranstaltenden Theater in Köln, Bochum, Mülheim und Düsseldorf von Esch erst aus seinem Vorwort zum Festivalkatalog erfahren. „Um das Festival weiter finanzieren zu können, wird es ab 2007 alle zwei Jahre stattfinden“, steht da. Formuliert, getippt und gedruckt lange vor der heutigen Entscheidung durch die legitimierte Dezernentenkonferenz. „Merkwürdig“, findet das Sibylle Broll-Pape, Chefin im Bochumer Prinz-Regent-Theater, wo das Staatsgrenzen übergreifende Festival der Freien vor 15 Jahren von Noch-Intendant Dietmar N. Schmidt begründet wurde. Sie fühle sich nicht ernstgenommen. Esch habe das reingeschrieben, ohne irgend etwas abzusprechen, so Broll-Pape bei der Vorstellung der ausgewählten freien Theater aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Die Kulturschaffenden wollen nun auf die Barrikaden gehen. In Düsseldorf erhält die freie Szene sogar Unterstützung vom Stadttheater. Dort sieht man die Entwicklung einer Zusammenführung von festen und freien Bühnen gefährdet, eine Entwicklung die in den letzten Jahren zu beidseitigem Nutzen forciert wurde. Ein zweijähriger Rhythmus widerspräche der kurzfristigen Produktionsweise Freier Theater, heißt in der Bühne in der Landeshauptstadt, an der zu fünfzig Prozent auch das Land NRW beteiligt ist. Über 70 Protest-Unterschriften wurden in zwei Tagen bereits gesammelt. Die Unterzeichner fordern das Kultursekretariat und die Landesregierung auf, die Pläne zu korrigieren. Auch das Bochumer Schauspielhaus hält dem Festival die jährliche Stange. „Sonst würde viel Kontinuität verloren gehen“, sagt der künstlerische Betriebsdirektor Rolf D. Suhl. Die Freien seien ein Seismograf gesellschaftlicher Veränderung.

„Soviel Unterstützung von Stadttheatern für die Freien hat es noch nie gegeben“, sagt Dietmar N. Schmidt. Auch er versteht die Welt nicht mehr. „Noch nie sei die Finanzierung so sicher gewesen, wie in diesem Jahr“, sagt Schmidt, auch wenn die Mittel knapper seien, da das Kultursekretariat früher „ein Vielfaches“ gezahlt hätte. Eine halbe Million Euro Etat hat das „Impulse“-Festival. Den größten Anteil trägt mit 150.000 Euro die Kölner Hans Imhoff-Schokoladen-Stiftung. Die Mittel seien auch für 2006 und 2007 gesichert, so Schmidt. Das Sekretariat fördere mit 105.000 Euros. Die andere Hälfte teilen sich in NRW das Land und ihre Kulturstiftung, aber auch die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und die Stadt Wien. „Auch das hat einen gewissen Charme“, schmunzelt Schmidt, der zum letzten Mal verantwortlich ist und das als selbstverständliche Entwicklung sieht. Er sieht einen Ausweg. Das Land NRW müsste das Festival vom Kultursekretariat übernehmen. Versucht habe das zuletzt Ex-Kulturminister Michael Vesper (Grüne). Der sei 2003 aber am Widerstand des Wuppertaler Sekretariats gescheitert.