60 Jahre Volksrepublik China: Jubelfeiern statt Semesterferien
Tausende Pekinger Studierende müssen plötzlich per Dekret die Feiern zum 60. Geburtstag der Volksrepublik vorbereiten. Ihre Ferien sind gestrichen, die Wut ist groß.
PEKING taz | Brütende Hitze liegt über Peking, das Thermometer klettert an manchen Tagen über 38 Grad im Schatten. An den vielen Universitäten der Hauptstadt kämpfen sich die Studierenden durch die letzten Prüfungen vor Semesterschluss. Doch nicht der Examensstress, sondern ein aus heiterem Himmel erlassenes Dekret erregt derzeit die Gemüter: Ferienverbot. "Wir sind wütend", sagt ein Student.
Betroffen sind vorwiegend Hochschüler des zweiten Studienjahres der Pekinger Eliteuniversitäten. Außerdem müssen sie die übliche zweiwöchige Militär-Ausbildung absolvieren. "Wir sollen an den Freudenfeiern zum 60. Jahrestag der Gründung Chinas mitwirken", erfuhr ein angehender Ingenieur.
Welche Rolle genau den Studierenden am 1. Oktober zugedacht ist, ist noch ein Geheimnis. Sollen sie über die Straße des Ewigen Friedens mitmarschieren, der Parteiführung zuwinken oder als Ordnungskräfte dienen? Wer bei den Studentenwerken, dem Kommunistischen Jugendverband oder den Parteikomitees verschiedener Pekinger Hochschulen Genaueres erfahren wollte, wird abgewiesen. Wie viele Studierende sollen mitmachen? Wie viele haben sich freiwillig gemeldet? Stimmt es, dass sie für die Teilnahme Pluspunkte in ihrem Zeugnis erhalten? Es gäbe "keine Anweisungen, wie man auf Anfragen der ausländischen Presse antworten solle", beschied die Presseabteilung der Peking-Universität ihren Anrufern. "Derzeit noch geheim, melden Sie sich später", erklärte knapp ein Vertreter der Kommunistischen Jugendliga an der Hochschule für Politik und Recht.
Fest steht nur: Die Partei plant eine aufwendige Jubelfeier, deren Kernstück eine Militärparade ist. Seit Monaten übt die Armee für den Aufmarsch, der Asphalt im Herzen Pekings wird für die Panzer verstärkt, Chinas prominentester Filmemacher Zhang Yimou ("Hero"), der 2008 schon die Eröffnungsveranstaltung der Olympischen Spiele inszenierte, führt auch jetzt wieder Regie. Für seine Schau braucht er nicht nur Studierende, sondern auch Mittelschüler.
Die Leitung der Peking-Universität hat versucht, der Partei den Plan auszureden, Studierende gegen ihren Willen zu verpflichten. Es gäbe doch sicher genug junge Leute, die freiwillig mitmachten, hieß es. Außerdem sollte die Armee wenigstens auf die Grundausbildung verzichten. Doch die Eingabe stieß auf taube Ohren. Vielmehr nutzt die KP die Gelegenheit, die Hochschüler zu disziplinieren. Da ist es auch egal, dass das Semester bereits Mitte September beginnt, viele also Lehrstunden versäumen werden.
So sind die Diskussionsforen des Internets voll böser Kommentare. Einige, so heißt es, hat die Zensur deshalb bereits geschlossen. Eine junge Pekingerin: "Denen da oben ist es völlig egal, was wir denken."
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