Tasmanisch depressiv

Hertha BSC Berlin hat nur eine Qualität: Nehmerqualität

Hertha BSC verfügt derzeit über nichts und niemanden, um den FC Bayern zu ärgern. Die derbe Niederlage vom Samstag bestätigte nur, was sowieso schon alle vorher wussten. Dabei waren die Berliner im Unterschied zu den Münchnern in diesem Jahr schon einmal Tabellenführer. Aber bei Hertha wird man natürlich Anspielungen auf die eigene Fallhöhe tunlichst vermeiden.

Im Frühjahr fieberte noch ganz Berlin euphorisch beim Titelkampf mit. Im Herbst kamen die Depressionen, die sich bis zur Tasmanie ausweiteten. Eine höchst seltene Krankheit in der Bundesliga, Ausdruck der Versagensangst, noch schlechter zu sein als die schlechteste Bundesligamannschaft aller Zeiten: Tasmania Berlin.

So was kann einem ganz schön an die Nieren gehen. Den früheren Bundestrainer Rudi Völler verleitete eine missliche Lage einst zur berühmt gewordenen „Mist-und Käse-Rede“. Er ätzte damals nach einer Serie erbärmlicher Spiele zur besten Sendezeit gegen die miesepetrigen Berichterstatter: Heute weiß man: Das war Jammern auf hohem Niveau. Bei Hertha wird die Talsole von Spieltag zu Spieltag neu vermessen. Es geht immer tiefer hinab. Aber das hat zuletzt wie eine Immuntherapie gewirkt. Jeden noch so harten Schlag steckten die Berliner weg und sprachen unverdrossen von der baldigen Genesung. So auch Verteidiger Steve von Bergen nach dem 2:5-Debakel gegen Bayern, bei dem er scheinbar keinem gegnerischen Akteur zu nahe treten wollte. Man spiele ja nicht jedes Mal gegen München, sagte er. Stimmt. Deshalb hat Hertha auch schon sechs Punkte.

Über die Nehmerqualitäten des Vereins kann man sich nur wundern. Es ist die einzige Qualität, die die Berliner angesichts ihres so lausig aufgestellten Kaders haben. Sie sind zu Niederlagenverstehern geworden. Allen voran Friedhelm Funkel, der das Hertha-Hospiz von Lucien Favre übernommen hat. Niederlage ist nicht gleich Niederlage. Funkel hat gegen Hamburg, Köln und Schalke richtig schöne Niederlagen gesehen, die sich fundamental unterscheiden von denen gegen Bayern, Frankfurt, Nürnberg und so weiter.

Funkel hat aus der Niederlagensuppe die üblichen Abstiegskampfingredienzen herausdestilliert: Disziplin, Kampf und Einsatzbereitschaft. Mit diesem Mix soll der Glaube an das Wunder gestärkt werden. Weil das aber nur unzureichend gelungen ist, kommt es nun noch zur 3 Millionen Euro teuren Blutauffrischung: Theofanis (altgriech. theós=Gott) Gekas. Levan Kobiashvili steht bereit. Reicht das zur Überwindung der Tasmanie? Es fehlen nur noch drei Punkte bis zur Ausprägung der vollen Krankheit. JOHANNES KOPP