Internationaler Fußball: Kosovo will die Lizenz zum Kicken
Zehn Jahre sind seit dem Krieg im Kosovo vergangen. Inzwischen ist das Land unabhängig. Aber im Fußball weder Fifa noch Uefa haben den kleinen Balkanstaat bisher aufgenommen.
Das Kosovo will die Lizenz zum Kicken
AUS PRISHTINA FELIX HOFFMANN
"Newborn" - "Neugeboren"! Große gelbe Buchstaben aus Blech bilden das Wort auf einem Platz im Zentrum der kosovarischen Hauptstadt Prishtina. Das Monument ist Symbol für die Unabhängigkeit des Landes geworden.
Seit Februar letzten Jahres ist das Kosovo eine eigenständige Republik und damit der jüngste Staat der Welt. Die Zukunftsaussichten sind allerdings alles andere als rosig. Die Armut ist groß, die Zahl der Arbeitslosen hoch.
Doch von den Problemen ist an diesem warmen Juliabend auf den Straßen der Hauptstadt wenig zu spüren. Die vielen Cafés und Restaurants sind voll mit jungen Leuten. Und vorbei am "Newborn" strömen die Menschen Richtung Stadion, das mitten im Herzen der Stadt liegt. Es ist der Tag des Pokalendspiels zwischen dem FC Prishtina und dem Klubi Futbollistik Hysi.
Rund 10.000 Zuschauer kommen bei freiem Eintritt in das marode Rund. Das Spiel ist auf schwachem Niveau, die Platzverhältnisse schlecht. Außenseiter Hysi - in der Meisterschaft nur im Mittelfeld der Tabelle stehend - gewinnt gegen den schon vor Saisonende als Meister feststehenden Favoriten nach 90 Minuten mit 2:1. Unterhaltsamer als der Kick auf dem Rasen ist das Spektakel auf den Tribünen. Die Anhänger beider Lager liefern sich eine über die gesamte Spielzeit dauernde Pyro-Show. Während die Partie läuft, werden ganze Batterien mit Leuchtraketen in die Luft geschossen. Bengalos in allen Farben brennen im Block. Das ändert sich auch nicht, als der kosovarische Präsident Fatmir Sejdiu Mitte der ersten Halbzeit auf der Haupttribüne Platz nimmt, in unmittelbarer Nähe der Fans des KF Hysi. Dort wird unter den Augen der Polizei weiter gezündelt, was die Vorräte hergeben. Oder der gegnerische Trainer mit vollen Plastiktrinkflaschen beworfen. Die Balljungen am Spielfeld machen sich währenddessen einen Spaß daraus, abgefackelte, noch glimmende Leuchtfeuer zurück auf die Tribüne zu werfen.
Zum Anpfiff halten Fans des FC Prishtina ein Plakat in die Höhe: "Uefa, where are you?" Die Frage spricht ein brisantes Problem an: Trotz seiner Unabhängigkeit ist das Kosovo weder Mitglied des Weltfußballverbandes Fifa noch seines europäischen Pendants Uefa. Beide Verbände verwehren dem Land den Beitritt. Uefa-Präsident Michel Platini verweist auf die Statuten, nach denen ein Land nur aufgenommen werden kann, wenn es zu den Vereinten Nationen gehört. Doch das tut das Kosovo nicht, denn bislang haben nur 60 Staaten, darunter Deutschland, die Souveränität des Kosovo anerkannt. Im Gegensatz zu Russland, Griechenland und vor allem Serbien, das den Landstrich auch nach dem Krieg mit der Nato von 1999 für sich beansprucht.
Unter dieser politisch heiklen Situation leidet der kosovarische Fußball. "Wir fühlen uns wie im Ghetto", sagt Eroll Salihu, Generalsekretär des Fußballverbandes, und fordert den europäischen Verband auf, so schnell wie möglich eine Anerkennung möglich zu machen. "Wir nennen den Umgang mit uns Diskriminierung! Seit 1946 waren unsere Vereine und Spieler Teil des jugoslawischen Verbandes. Genau wie es Montenegro oder Mazedonien einmal waren. Die sind heute Mitglieder, nur wir nicht."
So bleibt den im Moment 16 Clubs der Superliga (nächste Saison sind es nur noch 12) der Zugang zu den europäischen Wettbewerben versperrt. "Das ist bitter für unsere Entwicklung", sagt Remzi Ejupi, Präsident des 1922 gegründeten FC Prishtina und Geschäftsmann, der sein Geld unter anderem mit einer eigenen Fluggesellschaft verdient. "Dabei gibt es hier ein großes Potenzial. Unser Land liegt im Herzen Europas, es gibt so viele junge Menschen und viele fußballerische Talente."
Doch wer am Ball etwas kann, ist schnell weg aus dem Kosovo. Der Club-Boss glaubt dennoch an eine positive Entwicklung. Demnächst bekommt das Stadion seines Vereins eine neue, moderne Haupttribüne, finanziert durch ihn und Sponsoren. Auch Pokalgegner Hysi hat Mittel im Hintergrund. Der 2002 gegründete Club aus einem Vorort der kosovarischen Hauptstadt ist nach einer Handelsgruppe benannt, die die Fäden zieht.
Von solchen Geldgebern wird es abhängen, wie schnell die Entwicklung des Fußballs im Land vorangeht. Im Moment sind die Probleme groß, die Infrastruktur extrem schlecht. Nicht einmal der FC Prishtina, größter Verein und Rekordmeister, verfügt über einen eigenen Trainingsplatz. Die erste Mannschaft und alle Jugendteams müssen im Stadion oder auf kleinen, überdachten Kunstrasenplätzen trainieren.
Doch es war alles schon viel schlimmer. Unter serbischer Vorherrschaft wurden die Vereine und der Verband der Kosovo-Albaner, die über 90 Prozent der Bevölkerung ausmachten, aufgelöst. Ihnen blieb nur eine inoffizielle Liga, die auf kleinen Plätzen auf dem Land spielte. Die großen Stadien blieben für die serbischen Teams reserviert.
Bis zur Anerkennung durch Fifa und Uefa wird auch die kosovarische Nationalmannschaft nur inoffizielle Freundschaftsspiele austragen können. Das aktuelle Team besteht aus namenlosen Fußballern. Das könnte aber auch anders sein. Schließlich gibt es einige bekannte Akteure. Allen voran Lorik Cana, zurzeit bei Olympique Marseille unter Vertrag und zuletzt auch beim HSV im Gespräch. Geboren ist er in Prishtina, seit 2003 spielt er für das albanische Nationalteam. Oder Valon Behrami, der in Mitrovica, im Norden Kosovos, auf die Welt gekommen ist. 1990 flüchtete seine Familie in die Schweiz, da war er fünf Jahre alt. In seiner neuen Heimat wurde er eingebürgert und schließlich Nationalspieler. Er sagt: "Hätte es damals schon einen unabhängigen Staat Kosovo gegeben, ich hätte mich gegen die sportlichen Perspektiven entschieden und würde heute für Kosovo spielen."
Nicht einmal der FC Prishtina, größter Klub und Rekordmeister, verfügt über einen eigenen Trainingsplatz
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