Jukebox

Stimmen: paranormale Phänomene von Pop

Die Sprache des Pop ist Pop. Sie geht so: AWopBopaLooBop. Und ALopBamBoom. Das ist dem Charismatiker Little Richard aus dem Mund geschlüpft. An der Semantik hat man daran vielleicht zu knabbern, aber die ihr Herz noch einigermaßen beisammen haben, verstehen schon.

Irgendwo brennt bei Pop immer ein Dornbusch, und allerorten flüstert es von Versuchungen. Überall Stimmen. Der paranormale Wahnsinn. Ganz dosohrig könnte man werden und muss doch hören. Stimmen hören. Und wenn einem nun ein Traum zuraunt, dass es in der heutigen Nacht zum Samstag Punkt 0.01 Uhr im Tempodrom und in der Max-Schmeling-Halle einen Sonderverkauf von den Robbie-Williams-Karten zum Konzert am 27. Juli des nächsten Jahres im Olympiastadion gibt, muss man dem dennoch Glauben schenken. Es ist nämlich wahr.

Wie jede bessere Religionsgemeinschaft kennt Pop auch das Zungenreden, wenn einem also beim Gebet eine unbekannte Sprache überfällt. Die französische Band Magma entwickelte das sogar zu einer Kunstform. Sie sangen in Kobaianisch, ihrer eigenen Sprache. Ihre Musik, eine tolle Zwangsehe von John Coltrane mit Carl Orff, nannten sie Zeuhl. Was in Kobaianisch so viel wie „himmlische Musik“ heißt. Das ist nicht wirklich vernünftig, aber der Verstand muss ja nicht alles wissen. Auch Sigur Rós verlieren sich in seltsamen Sphären. Sie singen gern in Hopeländisch, was aus internationaler Perspektive gar nicht nötig gewesen wäre, weil ihr heimisches Isländisch sowieso niemand versteht.

Eine ganz besondere Fantasiesprache des Pop sind natürlich Can, die Kölner Psychedeliker. Der Gesang der elektrifizierten Jünglinge. Die ewige Trumpfkarte im Krautrock-Quartett. Haben mehr PS als der Rest. Wenn man ihr Meisterwerk „Tago Mago“ wieder hört, stellt man fest, dass ihre freundlich vor sich hin trippende Musik an manchen Stellen sogar noch an das Blues-Schema angebunden ist. Aber dazu wispert, haucht und schreit Damo Suzuki in einer Sprache, die er selbst bestimmt als Englisch bezeichnen würde, ohne dass jedoch ein Engländer davon je ein Wort hätte entziffern können. Pop geht nicht nach dem Wörterbuch. Pop ist Eingebung. Die Geister, die auf einen niederfahren.

Jetzt ist der Schamane wieder zurück. Am Sonntag trifft Damo Suzuki im Tacheles (22 Uhr) auf die Belgrader Beatspace-Band Neocekivana Sila. Stimmen hören. Flüstern und Schreien. ALopBamBoom. THOMAS MAUCH