Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Ich bin sehr enttäuscht von ihrem Kommentar am 28.07.09 zur Ärztlichen Honorarreform, weil er sich nicht von der Flut schlecht recherchierter und an Rufschädigung grenzender Kommentare anderer Medien zu diesem Thema abhebt.
Folgende Punkte finden bei Ihnen keine Erwähnung:
1. Die Honorarsteigerung im ersten Quartal dieses Jahres ist alleine schon deshalb überhaupt nicht aussagekräftig, weil 2008 im ersten Quartal Ostern war und 2009 nicht. In meiner Praxis zum Beispiel ergibt sich alleine daraus eine fast zehnprozentige Umsatzsteigerung und ich bin da sicher keine Einzelfall.
2. Nur durch die Proteste der Ärzte kam es zu sogenannten Konvergenzregelungen und Maßnahmen in Bereichen, die gar nichts mit der jetzigen Honorarreform zu tun haben, was insgesamt eine noch schlechtere Honorarentwicklung verhindert hat.
3. Die Kollegen haben, als sie zum Beispiel die niedrigen Regelleistungsvolumina für 2009 erfahren haben, zu einem guten Teil deutlich mehr gearbeitet, das heißt, der Stundenlohn ist eher gefallen als gestiegen.
4. Die jetzige Honorarreform war lange mit der nur zu berechtigten Absicht angekündigt worden, nach Jahren der Stagnation wie auch zuvor bei den Klinikärzten ausgebliebene Einnahmeerhöhungen nachzuholen.
Ich selbst bin Facharzt für Psychosomatische Medizin und sage offen, dass ich eher zu den Gewinnern der Reform gehöre. Ich empfinde einen Praxisgewinn vor Steuern von 60000 bis 70000 Euro im Jahr nach der Honorarreform bei einer Vollzeittätigkeit als angemessen, nicht mehr und nicht weniger. Ich weiß aber auch von Kollegen aus anderen Fachgebieten, die ohne die oben angesprochenen Änderungen an der jetzigen Reform Honrarminderungen von 20 bis 30% hätten in Kauf nehmen müssen.
Insgesamt muss ich sagen, geht mir angesichts der derzeitigen ungerechtfertigten Medienschelte gegenüber den Ärzten das "Vertrauen" zu den Medien verloren. Wenn ich mir überlege, was ich bei anderen Themenbereichen, in denen ich mich nicht aus eigener Erfahrung auskenne, so alles glaube...
Für solche Kommentare habe ich jedenfalls keine Anteile an der TAZ und am TAZ-gebäude gekauft.
1. Kassenärztliche Vereinigungen sind keine Vertreter der Ärzteschaft im Sinne von Gewerkschaften, sondern Körperschaften öffenlichen Rechts, die also vor allem gesetzliche Vorlagen umsetzen müssen. Wenn der Erhalt der Praxen auf dem Land nicht gelingt, hat das nicht so viel mit den Ärzten zu tun, die sich häufig von ihren KVen nicht mehr vertreten sehen, sondern mit der Gesundheitspolitik aus Berlin.
2. Das Problem der Ärzte sind nicht nur die Honorare, sondern bürokratische Erstickung, und die Aushöhlung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient, nicht wegen der Streiks der Ärzte, sondern der ewigen Anklage der niedergelassenen Ärzte als Buhmann für alles, was im Gesundheitssystem schief läuft, und das ist gewaltig viel.
3. Der geklaute Dienstwagen ist eine wunderbare Ablenkung von den eigentlichen Problemen des Systems, das mehr und mehr an Aktiengesellschaften u.ä. verkauft wird, die dann einen ordentlichen Reibach für ihre Aktionäre aus dem solidarisch aufgebauten GKV-System ziehen.
4. Ich finde aus Patienten-Sicht: mein Arzt soll ruhig ordentlich dafür honoriert werden, dass er mich behandelt. Aber wo sonst noch das Geld versickert, bei Beratern, Werbeagenturen, merkwürdigen Dienstleistern, das sollte mal untersucht werden anstatt immer nur auf die Ärzte zu schimpfen.
Der Prozess wegen Cum-Ex-Geschäften gegen den Hamburger Bankier Olearius wurde eingestellt. Er sei zu krank. Jetzt klagt er gegen seine Anklägerin.
Kommentar Ärztehonorare: Kassenärztliche Verneinung
Trotz der Klagen verdienen Ärzte nach der Honorarreform im Schnitt mehr als vorher. Die Kassenärztliche Vereinigung muss aufpassen, dass sie jetzt nicht das Patientenvertrauen verliert.
Andreas Köhler gab sich am Montag alle Mühe, zerknirscht zu wirken. Nun gut, erklärte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), unterm Strich hätten die niedergelassenen Ärzte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 7,8 Prozent mehr Geld eingenommen. Aber in Baden-Württemberg kämen die Ärzte eventuell auf 0,7 Prozent weniger, und Orthopäden müssten auch mit geringeren Einnahmen rechnen.
Köhlers Zahlen passen nicht zur Begräbnismiene des Funktionärs: Den meisten Haus- und Fachärzten geht es nach der von ihnen mitgeplanten Honorarreform finanziell besser als zuvor - trotz aller Proteste zu Jahresbeginn. Die gewohnheitsmäßigen Untergangsdrohungen der Ärzte könnten sich bald als fatal erweisen.
Die Bürger haben gelernt, dass es den Ärzten nicht so schlecht geht, wie sie behaupten. Wo sind die Praxen, deren Schließung angeblich bevorstand, weil die Honorarreform sie in die Pleite trieb? Wo sind die massiven Honorareinbußen einzelner Facharztgruppen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen angeblich fürchteten? Es gibt sie nicht. Nun droht den Ärzten etwas enorm Wichtiges verloren zu gehen: das Vertrauen ihrer Patienten.
Wenn also bald tatsächlich der Ärztemangel in ländlichen Gebieten vor allem im Osten drückend wird, dann dürfen die Kassenärztlichen Vereinigungen nicht auf das Verständnis der Öffentlichkeit vertrauen. Wer fährt schon gern 40 Kilometer zu einer großstädtischen Klinik, weil die Ständevertretung es nicht geschafft hat, Ärzte zur Niederlassung in der Provinz zu überreden?
Diese Herausforderung müssen die Ärztevertreter deutlich energischer angehen. Wenn sich erweist, dass sie bei Honorarverhandlungen kämpferisch sind, bei der Patientenversorgung aber stümpern, dann wird bald die Frage auftauchen: Wofür brauchen wir die Kassenärztlichen Vereinigungen?
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.