"Deutschland-Plan" der SPD: Größenwahn auch bei anderen

Die Konkurrenz verreißt den "Deutschland-Plan" des SPD-Kanzlerkandidaten Steinmeier als unrealistisch. Dabei gehen andere Parteien programmatisch noch weiter.

Keine Angst vor großen Zahlen: Frank-Walter Steinmeier. Bild: dpa

Alles scheint die SPD derzeit falsch zu machen. Lange galt sie vielen Kritikern als zu kleingläubig. Nun, seit der Veröffentlichung ihres "Deutschland-Plans" für die Zeit bis 2020, schmähen sie politische Kontrahenten als größenwahnsinnig. Dabei zeigt ein Blick in die Programme der anderen Parteien: Deren Ziele für die nächsten Jahre sind oft ähnlich hoch gesteckt.

Arbeitslosigkeit: Am meisten unterscheidet sich Frank-Walter Steinmeiers 67-seitiger Plan nicht durch die Ziele von den übrigen Parteien, sondern durch die Nennung von Zahlen. Großer Zahlen. Vier Millionen neue Arbeitsplätze, verkündet der SPD-Kanzlerkandidat, ließen sich bis 2020 in Deutschland schaffen. Wie das klappen soll? Da bleibt das Thesenpapier wolkig.

Aber Grüne und Linke sind da nicht viel besser. Im 224 Seiten dicken "Grünen Neuen Gesellschaftsvertrag", dem Programm der Grünen für die Bundestagswahl, heißt es vollmundig: "Wir wollen nicht weniger als eine neue industrielle Revolution einleiten und eine Million neuer Arbeitsplätze in Deutschland schaffen."

Die Linke dekretiert in ihrem aktuellen Wahlprogramm "Konsequent sozial", sogar zwei Millionen neue, nach Tarif bezahlte Jobs seien drin. Richten soll es der Staat: "Von 2009 an wollen wir ein jährliches öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro, die für Bildung, Klimaschutz, Verkehr, Gesundheit und eine Energiewende verwendet werden." Hinzu kommen soll ein 100 Milliarden Euro großer Zukunftsfonds für Unternehmen, die sich "sozial und ökologisch weiterentwickeln wollen".

Infrastruktur: Steinmeier erklärt, allein zwei der vier Millionen Jobs ließen sich in der Industrie schaffen. Mithelfen soll eine Modernisierung der Infrastruktur, dafür will er die Stromversorger an einen Tisch bringen. Das ähnelt dem Versprechen der Union in ihrem Regierungsprogramm für die Bundestagswahl: "Um eine größere Planungs- und Finanzierungssicherheit in der Energiepolitik zu erreichen, wollen wir die Kompetenzen innerhalb der Bundesregierung bündeln." Effizienzgewinne erhoffen sich auch die Grünen.

Gesundheit: Eine weitere Million Arbeitsplätze sollen laut SPD in der Gesundheitswirtschaft entstehen, etwa durch neue Pflegestellen in Krankenhäusern und Altenheimen. Mitfinanzieren soll dies eine noch einzuführende Bürgerversicherung, in die auch Selbständige und Gutverdiener einzahlen. Auch die Union sieht in der Gesundheitswirtschaft "eine der größten Wachstumsbranchen in Deutschland". Nur legt sie sich nicht fest, wer neue Stellen besetzen und bezahlen soll.

Am konkretesten halten es die Grünen. Sie erwarten einen "erheblichen Fachkräftemangel" in der Pflege und in Gesundheitsberufen. Deshalb wollen sie "die Finanzierung der Ausbildung verbessern", Umschulungen stärkern fördern und durch eine "Ausbildungsumlage in allen Bundesländern" finanzieren.

Energie: "Im Jahr 2020 bezieht Deutschland 30 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien". Die Union hält sich da zurück: Bis 2020 soll "der Anteil der erneuerbaren Energien am Energieverbrauch auf 20 Prozent erhöht werden". Immerhin soll "der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung" 2020 bei 30 Prozent liegen.

Die Grünen stecken sich hier noch ehrgeizigere Ziele: "Bis 2020 setzen wir auf einen Anteil von mindestens 40 Prozent bei der Stromproduktion." Die Linke fordert gar, der Anteil erneuerbarer Energien müsse 2020 "mindestens die Hälfte" betragen. Schmallippig gibt sich die FDP in ihrem "Deutschland-Programm". Sie "unterstützt" lediglich das Ziel der Europäischen Union, "den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf 20 Prozent am Primärenergieverbrauch zu erhöhen".

Elektroauto: Es ist aus Sicht fast aller Parteien eine Innovation, die das Jobwunder anheizen und das Klima abkühlen soll. Die SPD verkündet, 2020 werde die deutsche Automobilindustrie "Innovationsführer" sein. Genauer werden die Sozialdemokraten nicht. Anders die Union: "Wir werden eine Modellregion für Elektromobilität in Deutschland einrichten." 2020 sollen "auf deutschen Straßen mindestens eine Million Elektrofahrzeuge" fahren. Weit ehrgeiziger als die Union und die viel gescholtene SPD sind hier erneut die Grünen: "Wir wollen dafür sorgen, dass bis 2020 mindestens zwei Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren."

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