Keine Angst vor Visionen

BASISDEMOKRATIE II Nachtflugverbot, Tempelhofer Feld, Energie: Volksbegehren mit Erfolgschancen

■ Nachtflugverbot. 21. Februar: Sitzung des Verkehrsausschusses im Brandenburger Landtag; 21. März: Entscheidung über Annahme des Volksbegehrens; sonst Volksentscheid am 16. Juni.

■ Energie. 11. Februar: Beginn der zweiten Stufe, nötig sind 173.000 Unterschriften, 10. Juni: Sammlungsende, Volksentscheid am Tag der Bundestagswahl.

■ Tempelhofer Feld. 31. Januar: Initiative reicht nach eigenen Angaben mehr als 33.000 noch nicht geprüfte Unterschriften ein; bis 21. Februar: Gültigkeitsprüfung; 15. September: Beginn zweite Stufe; 15. Januar: Sammlungsende; 8. Juni: Volksentscheid. (sta)

Wir schreiben den Juni 2014. Gerade endete der fünfte Volksentscheid in der Berliner Geschichte. Ergebnis: Das Tempelhofer Feld wird nicht bebaut. Fast 700.000 Menschen haben den Volksentscheid unterstützt, motiviert durch erfolgreiche Abstimmungen über zwei andere Streitthemen: Schon seit Juni 2013 gilt ein Nachflugverbot für den künftigen Großflughafen BER, seit September ist ein Teil der Energieversorgung in kommunaler Hand. Utopie, Illusion, Fiktion? Sicher ist, dass in der Region Berlin nie zuvor derart viele erfolgversprechende Volksbegehren liefen.

Am schnellsten steht dabei eine Entscheidung über ein Nachtflugverbot in Brandenburg an, das Berlin wegen seiner Insellage genauso betrifft: am 16. Juni per Volksentscheid, falls nicht schon im März der Potsdamer Landtag die Forderung übernimmt und selbst ein Verbot beschließt. Bis Dezember waren binnen sechs Monaten über 106.000 gültige Unterschriften zusammengekommen und hatten einen Volksentscheid erzwungen, für den nur 85.000 nötig waren.

Initiatoren zuversichtlich

Bislang lehnt die rot-rote Koalition eine BER-Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr ab – sie beharrt auf dem Zeitraum von 0 bis 5 Uhr, den im Herbst 2011 auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte. Vor allem die Brandenburger SPD hat Bedenken, dass ein Nachtflugverbot den Flughafen schwächen könnte. Man brauche die Randzeiten, wenn am BER das gewünschte Drehkreuz entstehen soll. Das ist auch von Berliner Sozialdemokraten zu hören.

Die Initiatoren zeigen sich auch für den Fall, dass der Landtag das Begehren ablehnt, zuversichtlich. Dabei ist nicht nur eine Mehrheit notwendig, um diesen Volksentscheid zu gewinnen – es müsste auch mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten ins Wahllokal gehen und mit Ja stimmen. Das ist deutlich leichter, wenn am gleichen Sonntag ohnehin eine Wahl ansteht. Das aber ist hier in dem Zeitraum, den das entsprechende Gesetz vorsieht, nicht der Fall.

Anders ist das beim Volksbegehren „Neue Energie für Berlin“: Hier fände der Volksentscheid womöglich am Tag der Bundestagswahl im Herbst statt. Auch die Gegner einer Bebauung auf dem Exflughafengelände in Tempelhof, die Initiative „100 % Tempelhofer Feld“, können auf hohe Beteiligung hoffen, falls sie es bis zum Volksentscheid schaffen: Nach dem jetzigen Zeitplan müsste der parallel zur Europawahl am 8. Juni 2014 erfolgen.

Entscheidend ist stets, wie viele Leute sich landesweit mobilisieren lassen. Während das Energiebegehren alle Haushalte in Berlin betrifft, steht hinter den beiden anderen Initiativen ein Fragezeichen: Finden sich über Anwohner und Nutzer hinaus ausreichend Unterstützer?

Der Zuspruch für die Gegner einer Tempelhof-Bebauung ist auch ungewiss, weil Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) nur eine Bebauung am Rand will und sich ausdrücklich gegen eine komplette Bebauung gewandt hat. Zudem ist der angespannte Mietmarkt ein starkes Argument für die geplanten rund 4.700 Wohnungen, die am ehemaligen Flugfeld für bezahlbare Mieten entstehen sollen.

STEFAN ALBERTI