Kommentar zum Streit über Impfkosten: Schweinegrippe als Vorwand
Die Krankenkassen nutzen die Ängste der Bevölkerung, um mehr Geld vom Staat zu erpressen
Die gesetzlichen Krankenkassen machen Druck. Müssten sie die Kosten der massiven Impfkampagne gegen die Schweinegrippe im Herbst zahlen, dann müsse der zentral festgelegte Beitragssatz für insgesamt rund 70 Millionen Versicherte zum 1. Oktober steigen. Doch um die Grippe geht es den Kassen in diesem Streit nur vordergründig. Sie kommt ihnen lediglich als Vorwand gelegen, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Die Ängste der Bevölkerung nutzen die Kassen dabei skrupellos als Hebel.
Das ist durchaus üblich in der Gesundheitspolitik, in der Interessengruppen gern Tod und Elend vieler Menschen heraufbeschwören, um für sich mehr Geld herauszuholen. Die aktuelle Drohung der Krankenkassen aber ist besonders durchschaubar: Den Beitragssatz bestimmen seit Einführung des Gesundheitsfonds zu Jahresbeginn gar nicht mehr die Kassen, sondern die Bundesregierung. Deshalb ist die Forderung vor allem eine Drohung an Schwarz-Rot: Wenn ihr die Milliarde Euro, welche die Impfungen angeblich kosten werden, nicht aus Steuermitteln zahlt, hetzen wir euch die Bevölkerung auf den Hals. Deshalb auch der Vorschlag, den Beitragssatz bereits zum 1. Oktober zu erhöhen - passend zur Bundestagswahl. Da will kein Politiker Bürgern Kostensteigerungen erklären müssen.
Nebenbei schaffen sich viele Kassen eine Rechtfertigung dafür, weshalb sie voraussichtlich bald Zusatzbeiträge von ihren Mitglieder fordern werden: Nicht die jeweilige Kasse sei schuld am Etatloch, so die absehbare Begründung, sondern die Regierung.
ist Korrespondent im Berliner Parlamentsbüro der taz.
Die Koalition ist selbst schuld an ihrer Erpressbarkeit. Sie wollte die Macht, den Beitragssatz festzulegen. Nun macht sie genau dies erpressbar. Um die Versicherten nicht durch Beitragserhöhungen zu verärgern, wird jede Regierung versucht sein, diskret Steuermilliarden ins System zu pumpen. Das ist teuer und ineffizient. Der zentrale Beitragssatz muss deshalb so bald wie möglich abgeschafft werden.
Kommentar zum Streit über Impfkosten: Schweinegrippe als Vorwand
Die Krankenkassen nutzen die Ängste der Bevölkerung, um mehr Geld vom Staat zu erpressen
Die gesetzlichen Krankenkassen machen Druck. Müssten sie die Kosten der massiven Impfkampagne gegen die Schweinegrippe im Herbst zahlen, dann müsse der zentral festgelegte Beitragssatz für insgesamt rund 70 Millionen Versicherte zum 1. Oktober steigen. Doch um die Grippe geht es den Kassen in diesem Streit nur vordergründig. Sie kommt ihnen lediglich als Vorwand gelegen, um ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Die Ängste der Bevölkerung nutzen die Kassen dabei skrupellos als Hebel.
Das ist durchaus üblich in der Gesundheitspolitik, in der Interessengruppen gern Tod und Elend vieler Menschen heraufbeschwören, um für sich mehr Geld herauszuholen. Die aktuelle Drohung der Krankenkassen aber ist besonders durchschaubar: Den Beitragssatz bestimmen seit Einführung des Gesundheitsfonds zu Jahresbeginn gar nicht mehr die Kassen, sondern die Bundesregierung. Deshalb ist die Forderung vor allem eine Drohung an Schwarz-Rot: Wenn ihr die Milliarde Euro, welche die Impfungen angeblich kosten werden, nicht aus Steuermitteln zahlt, hetzen wir euch die Bevölkerung auf den Hals. Deshalb auch der Vorschlag, den Beitragssatz bereits zum 1. Oktober zu erhöhen - passend zur Bundestagswahl. Da will kein Politiker Bürgern Kostensteigerungen erklären müssen.
Nebenbei schaffen sich viele Kassen eine Rechtfertigung dafür, weshalb sie voraussichtlich bald Zusatzbeiträge von ihren Mitglieder fordern werden: Nicht die jeweilige Kasse sei schuld am Etatloch, so die absehbare Begründung, sondern die Regierung.
Matthias Lohre
ist Korrespondent im Berliner Parlamentsbüro der taz.
Die Koalition ist selbst schuld an ihrer Erpressbarkeit. Sie wollte die Macht, den Beitragssatz festzulegen. Nun macht sie genau dies erpressbar. Um die Versicherten nicht durch Beitragserhöhungen zu verärgern, wird jede Regierung versucht sein, diskret Steuermilliarden ins System zu pumpen. Das ist teuer und ineffizient. Der zentrale Beitragssatz muss deshalb so bald wie möglich abgeschafft werden.
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Kommentar von
Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.