LESERINNENBRIEFE
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Die Lüge der Empfängnis

■ betr.: „Ein kleines Loch in der Sexualmoral“, taz vom 8. 2. 13

In ihrem Beitrag schreibt Heide Oestreich, die katholische Kirche sei dabei, „erneut“ ein „Verhütungsmittel in Ausnahmefällen“ zu erlauben und damit „ein kleines Loch in ihre strenge Sexualmoral zu fräsen“. Diese Einschätzung ist leider zu optimistisch. Noch immer werden Hilfsorganisationen massiv unter Druck gesetzt, wenn sie zur Eindämmung von Aids Kondome empfehlen. Noch immer führt die christliche Sexualmoral in vielen Ländern Afrikas und Lateinamerikas zu Siechtum und Tod von unzähligen Menschen, weil man ihnen einredet, Kondome seien unvereinbar mit ihrem Glauben. Millionen von Kindern wurden bisher so zu Waisen, weil kirchliche Dogmen über die Lebensrealität gestellt wurden.

Noch immer werden homosexuelle Menschen von Kirchenvertretern als entartete Individuen diffamiert, noch immer verlangt die Amtskirche von vergewaltigten Frauen, auf Abtreibung zu verzichten, und stürzt sie somit in einen zusätzlichen Notstand. Sind die zölibatären Hierarchen der katholischen Kirche wirklich in der Lage, das durch eine Vergewaltigung entstandene Leid und die innere Not der vergewaltigten Frauen nachzuvollziehen? Sind sie wirklich bereit, darauf zu verzichten, aus der Wahrheit eines Kapitalverbrechens eine Lüge der Empfängnis zu machen?

Mir fällt dazu ein Satz von Heinrich Böll ein: „Alles, was über diese drastische Sache gesagt, gepredigt und gelehrt wird, ist Heuchelei“ (aus „Ansichten eines Clowns“). GERD BECKER, Lüdinghausen

Sexuell missbrauchte Jungen

■ betr.: „Indien schützt seine Kinder nicht“, taz vom 8. 2. 13

Der Aspekt der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche männlichen Geschlechts, welcher in dem HRW-Bericht deutlich präsent ist, wird in dem taz-Artikel vollständig unterschlagen. Die Beispiele, welche die taz aufführt, sind ausnahmslos Missbrauchsfälle an Mädchen. Männliche Wesen erscheinen dann doch immerhin auch als verhinderte Beschützer (Vater und Sohn, die verprügelt wurden, als sie die Vergewaltigung der Tochter anzeigen wollten). Die Geschlechterstereotype bleiben also erhalten.

Dabei zeichnet der HRW-Bericht über sexuellen Missbrauch an Kindern in Indien ein differenzierteres Bild. Er spricht ausdrücklich auch von Jungen, die missbraucht werden. Zum Beispiel: „Of those who said they were sexually abused, 57 percent were boys.“ Oder auf derselben Seite: „At least 48 percent of the boys and 39 percent of the girls interviewed said they had faced sexual abuse of one form or another, mainly from people they knew.“ Auch konkrete Fälle werden benannt. Nur zwei Beispiele von mehreren in dem Bericht: Das Beispiel eines Heimes, in welchem sexueller Missbrauch an Jungen stattfand, oder das Beispiel eines betroffenen Jungen, der einen Europäer anzeigte, der in seinem Dorf mehrere Jungen über Jahre missbrauchte, und nun von dem Dorf bedroht wird.

MICHAEL GEIGER, Oldenburg

Weibliche Autodiskriminierung

■ betr.: „Liberale Wagenburg“, taz vom 9. 2. 13

Nachdem Frauen letzte Woche in der taz noch als „ Minderheit“ bezeichnet wurden (Interview mit Frau Domscheit-Berg vom 2. 2.) sind wir jetzt schon „gesellschaftliche Randgruppe“ (S. 1) geworden!? Ist das jetzt die weibliche Autodiskriminierung? So bekommen wir nie den Teil des Kuchens, der uns zusteht!

Empörte Grüße, KARIN HEILMANN, Berlin

Widerrechtliche Titelaneigung

■ betr.: „Schavan und die Schuld“, taz vom 9. 2. 13

In der Diskussion über die Aberkennung des Doktortitels wird immer wieder die Forderung nach einer Verjährung aufgestellt. Diese Idee fußt auf einem Gedankenfehler: Verjährung ist eine Idee aus dem Strafrecht und Frau Schavan wird hier ja nicht strafrechtlich verfolgt. Es geht vielmehr um die „Rückgabe“ eines (nach dem Spruch der Universität) widerrechtlich angeeigneten Titels. Hätte eine Doktorandin damals ihrem Doktorvater eine goldene Taschenuhr gestohlen und das käme heute heraus, würde sie nicht bestraft werden, da das verjährt wäre, müsste aber die Uhr zurückgeben, da man kein Eigentum an Diebesgut haben kann – und dies unbefristet. Ebenso wenig kann man einen Anspruch auf einen nicht ordnungsgemäß erworbenen Namenszusatz erwerben, wenn nur genügend Zeit ins Land gegangen ist – wer sich vor 30 Jahren einen Titel „Gräfin“ widerrechtlich zugelegt hätte, wäre diesen auch los, wenn es jetzt herauskäme. PETER STENDER, Hamburg

Kostenloser ÖPNV? Na klar!

■ betr.: „Nie wieder schwarzfahren“, taz vom 9. 2. 13

Die Titelfrage kann mit einem klaren Ja beantwortet werden. Denn erstens zeigen bereits größere europäische Städte wie das estnische Talinn, dass ein kostenloser ÖPNV gut funktioniert. Und zweitens stehen dem Einnahmeverlust durch den Wegfall der Tickets ebenso erhebliche Kosteneinsparungen gegenüber, die man nicht unterschätzen sollte. Da man so nicht nur Kontrolleure und Automaten überflüssig macht, sondern auch deutlich mehr Menschen zum Umsteigen bewegt und damit die Anzahl der Staus auf den Straßen radikal reduziert. Weswegen die etablierten Parteien gut daran tun, sich mit der Zukunftsvision der Piraten, die beileibe keiner Spinnerei entspricht, auseinanderzusetzen! RASMUS PH. HELT, Hamburg