Breitensport in Berlin: Meister der leichten Athletik

Während eine Woche lang die Elite der Leichtathletik bei ihrer Weltmeisterschaft im Olympiastadion schwitzt, pflegen viele Berliner andere Sportarten.

Die Berliner sind auf die Flasche gekommen. Nicht nur die Fraktion "Saufen, bis der Notarzt kommt". Mit der Bierflasche in der Hand durch die Straßen zu laufen oder in der Straßenbahn zu sitzen ist cool.

Auch Wassertrinker können - dank des ständigen Gefasels von der drohenden Dehydration - nicht mehr ohne. Aber was geschieht mit der Flasche, wenn sie leer ist? Eine Möglichkeit: Man gibt sie im Supermarkt ab. Die andere: Man lässt sie einfach stehen. Ein schlechtes Gewissen ist unnötig. Unter Garantie kommt gleich ein Mensch mit einem Fahrradanhänger oder einem Handwägelchen vorbei und packt das Leergut ein.

Flaschensammeln ist in Berlin zum Breitensport geworden. Die Bewegung stärkt die gesamte Körpermuskulatur und gleichzeitig die Finanzkraft. Nicht nur Hartz-IV-Empfänger, die damit ihr Taschengeld aufbessern, wissen das zu schätzen.

Die taz interessiert sich dieses Jahr nicht für das Großereignis. Wir boykottieren die Leichtathletik-WM, um gegen die umfassenden Sicherheitsüberprüfungen von Journalisten zu protestieren. Die Namen der Journalisten werden mit den Datenbanken von Polizei und Verfassungsschutz abgeglichen. Der Veranstalter, die Berlin Organising Committee 2009 GmbH, erfährt dann von den Behörden, ob gegen einen Journalisten dort etwas vorliegt oder nicht.

Zum Beispiel der 42-jährige Ibrahim K. Nach Schichtende im Dönerimbiss steigt er aufs Rad und dreht stundenlang seine Runden. In der Hand eine Taschenlampe, hält er alle paar Meter an und leuchtet in die Mülleimer in Grünanlagen und an der Straße. "Manchmal sei er drei Stunden unterwegs, manchmal sechs", erzählt er. Früher habe er in Spitzenzeiten bis zu 700 Euro im Monat eingefahren. Jetzt seien es nur noch 400. Die Konkurrenz habe sehr zugenommen. Am besten laufe das Geschäft an warmen Wochenenden. Noch besser, wenn irgendwo ein Straßenfest stattfindet.

Bierflaschen bringen 8 Cent ein, Bügelbierflaschen 15 Cent, so wie Glas- und Plastikpfandflaschen. Am meisten rentieren sich Einwegplastikflaschen und Dosen, die laut Deutschem Pfandgesetz (DPG) mit 25 Cent Pfand belegt sind. "Diese Flaschen sind besonders begehrt", sagt der 58-jährige Frührentner Günter K. Der gelernte Bäcker schiebt in den Abendstunden einen Handkarren durch Schöneberg. Heute sei die Ausbeute nicht so gut, weil es lange geregnet habe, sagt er. Es sei ihm aber schon gelungen, seine Rente um bis zu 300 Euro im Monat aufzubessern. Angenehmer Begleiteffekt: "Ich bin an der frischen Luft und bleibe schlank."

Wie verbreitet der Sport inzwischen ist, lässt sich nicht in Zahlen messen. Sicher ist: "Es hat extrem zugenommen", stöhnt ein Mitarbeiter von Getränke Hoffmann in Kreuzberg. Filialen von Hoffmann werden von Flaschensammeln bevorzugt, weil man dort, anders als in den Discountläden, in der Regel alles abgeben kann - auch Flaschen, die nicht zum Sortiment gehören. "Was da kommt, ist manchmal ganz schön heftig", erzählt ein Angestellter. "In den Pullen steht eine Brühe, das stinkt zum Himmel." Wenn sich die Flüssigkeit dann im Laden auf den Boden und auf den Kassentresen ergieße, "wird es richtig lecker".

Die Kundenfreundlichkeit hat jedoch ihre Grenzen, sagt der für die 170 Filialen im Großraum Berlin zuständige Einkaufsleiter Klaus Schlenger. Jeder, der eine Flasche zurückgebe, sei ein potenzieller Kunde. "Aber wenn wir den Eindruck haben, dass er nur den Dreck aus den Mülltonnen bringt und nie Getränke kauft, kann auch mal ein Riegel vorgeschoben werden." Der Sammler muss dann mit dem Müllsack voll Flaschen Leine ziehen.

Das scheint aber nur selten zu passieren, wie die Bilanz von Getränke-Hoffmann bestätigt. 15 Millionen Einwegflaschen und Dosen mit dem Einwegpfandlogo DPG seien 2008 im Berliner Raum in Geld eingetauscht worden, sagt Schlenger. Verkauft worden seien in derselben Zeit aber nur 10 Millionen Einwegflaschen und Dosen.

Bestes Trainingsgelände: CSD, Karneval der Kulturen und Fanmeilen jeder Art

Doping: tiefer gelegte Einkaufswagen mit zehn großen Tüten am Rand als Megastauraum

Mögliche Sponsoren: jede interessierte Brauerei

Konkurrenten um den WM-Titel: keine

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.