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Atompolitik wieder ThemaRenaissance des Anti-Atom-Protests

Die Bewegung war gespalten über den Atomkonsens von Rot-Grün. "Da gab es viel böses Blut", heißt es. Jetzt ist sie wieder aus ihrem "Halbschlaf" erwacht - und hofft auf Erfolge.

Atomkraftgegner blockieren 2005 bei Hitzacker die Gleise der Castor-Transportstrecke. Nimmt der Anti-Atom-Protest bald wieder an Fahrt auf? Bild: dpa

Interaktive Karte zur Anti-AKW-Bewegung in Deutschland. Bild: taz

Die Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel, die Aussicht auf eine mögliche schwarz-gelbe Regierung nach der Bundestagswahl, eine Großdemonstration Anfang September - Deutschland diskutiert wieder über die Atomkraft. Und die Anti-AKW-Bewegung erwacht. (Die taz-Grafik zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der vielen Initiativen. Wir haben dabei auf regionale Verteilung und Vielfalt geachtet.)

"Die Rückmeldungen zu unseren Aktionen sind sehr, sehr positiv", sagt Jan Becker von Contratom. Die größte Demo seit den 90er Jahren habe die Hamburger Initiative am 26. April erlebt, als sie zum Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe vor 23 Jahren demonstrierte. Nach Contratom-Angaben haben sich 1.500 Menschen an der Kundgebung beteiligt. Nicht nur, dass die AKW-Gegner wieder größeren Zulauf erhielten von Leuten, die sich länger nicht mehr engagiert hätten. Es kämen auch neue Aktivisten hinzu, sagt Jochen Stay von der Initiative Ausgestrahlt. Es gebe jetzt eine "spannende Mischung" aus jungen Menschen und "der Generation Brokdorf".

Neue taz-Serie: "Sieben gute Gründe"

Die Serie: Sieben Atomkraftwerke müssten laut Atomkonsens in der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden. Die taz nennt in einer Serie über diese ältesten noch laufenden AKW sieben Argumente dafür, warum das passieren muss. Start: Dienstag, im Ressort Wirtschaft + Umwelt.

Die Demo: Für den 5. September rufen die Anti-Atom-Initiativen zu einer großen Demonstration unter dem Motto "Mal richtig abschalten!" nach Berlin.

Der Service: Mehr über und von Initiativen nicht nur von Atomkraftgegnern finden Sie auf www.bewegung@taz.de

Nach dem von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg habe sich die Anti-AKW-Bewegung in zwei Lager gespalten: den einen ging der Atomkonsens nicht weit genug; die anderen begrüßten, dass immerhin etwas beschlossen worden sei. "Da gab es viel böses Blut", sagt Stay. Jetzt werde der Protest wieder zusammen organisiert.

"Seit dem beschlossenen Ausstieg war Ruhe an der Atomfront - mit Ausnahme der Castor-Transporte", sagt Dieter Rucht, Bewegungsforscher von der FU Berlin. Schon beim Castor-Transport Ende vergangenen Jahres habe es Zeichen der Wiederbelebung gegeben. "Jetzt kommt noch die Bundestagswahl hinzu." Das Dilemma der Regierungsparteien, CDU und SPD, im Wahlkampf sei der Spagat zwischen dem Treueschwur für die Koalitionszusammenarbeit und der Notwendigkeit, das eigene Profil zu zeigen. "Dadurch gewinnen die Sekundärthemen an Bedeutung. In Primärthemen wie der wirtschaftlichen Sicherheit unterscheiden sich die Parteien nicht so sehr", sagt Rucht. Vor allem die Sozialdemokraten nutzten nun das Thema Atomkraft zur Abgrenzung von Schwarz-Gelb. "Die Anti-AKW-Bewegung befand sich im Halbschlaf. Jetzt springt sie auf diesen Zug auf. Sie kann sich dadurch wieder profilieren und politische Unterstützung finden."

Im Moment konzentrieren sich die AKW-Gegner auf die Demonstration am 5. September in Berlin. Soziologe Rucht erwartet nicht die ganz große Demo. "Im Moment fehlt noch der heiße Anlass. Der Drang ist noch nicht groß genug, um in Massen auf die Straße zu gehen. Es wird erst zu heißen Diskussionen kommen, wenn es in der Politik ernst wird", sagt Rucht.

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9 Kommentare

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  • BG
    Bürger G.

    @frosch: Dir ist aber schon klar, dass die Erneuerbaren Energien ein Mrd. Geschäft sind, das von Steuerzahlern und Stromkonden subventioniert wird! Des weiteren leben die BIs und Verbände von der Angst, viele machen das hauptberuflich ;-)

  • F
    frosch

    @Bürger G:

    Die Frage ist doch "cui bono?" - Wer profitiert vom Abschalten bzw. Weiterlaufen der AKWs?

    Im Fall der Pro-Atom-Propaganda ist das doch klar: die betreibenden Energiekonzerne - und das nicht zu knapp!!

    Im Fall der Anti-AKW-Bewegung: es profitieren vielleicht ein paar Flugblattdrucker oder Wollpulli-Hersteller - aber doch nicht im Ausmaß von Millionen Euros!

    Es ist doch ganz klar, dass das Wort "Propaganda" nur auf die verlogenen "Argumente" der Atom-Befürworter passt!!!

  • BG
    Bürger G.

    Lieber p. zimmermann:

    genau das was sie der angeblichen Atomlobby vorwerfen, kann die Anti-Akw-Lobby noch besser: Unwahrheiten verbreiten, mit imensen spendengeldern Agitation betreiben und umfragen in Auftrag geben ....und B.U.N.D. Zivis schreiben in Foren und in Wikipedia, die Allgeneinheit bezhlt also für unredliche Meinungsmache!

  • PZ
    p. zimmermann

    @Andreas H. Sie haben sich auch genau die Umfragen heraus gesucht, die Ihnen zupass kommen. Diese Informationen empfehlen.

  • J
    Jens

    @Andreas: Vielleicht meint h.yurén mit BRD-bevölkerung ihre Basisdemikratische-jute-tee-tRinkenDe-Kommune und hat vergessen, dass es noch 80 Mio andere Bundesbürger gibt.... dass kann schon mal passieren.... ;-)

  • AH
    Andreas H.

    h.yurén schrieb: "es ist bekannt, dass eine sehr große mehrheit der brd-bevölkerung [...] gegen die atomkraft [...] ist"

     

    Woher beziehst du bitte deine Informationen? Vielleicht von Greenpeace? Die passende Umfrage von Greenpeace (http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/presseerklaerungen/artikel/greenpeace_umfrage_deutsche_lehnen_atomkraft_ab/) ist 4 (VIER!) Jahre alt.

     

    Nach einer etwas neueren Umfrage von 2008 (http://www.presseportal.de/pm/13399/1225147/n24)

    sind gerade mal 49% der Deutschen für den Atomausstieg! Und 48% wollen ihre Atomkraftwerke weiterhin am Netz sehen!

     

    Noch mehr schockierende Nachrichten aus 2008 von heise online (http://www.heise.de/newsticker/Umfrage-Bei-den-EU-Buergern-waechst-die-Zustimmung-zur-Atomenergie--/meldung/110591):

    Die EU-Kommission drängt auf Ausbau der Atomenergie und hat dazu durch eine Eurobarometer-Umfrage erkunden lassen, wie die Menschen in der EU dazu stehen. Für die Umfrage wurden im Februar und März über 26.000 EU-Bürger befragt.

    Das Ergebnnis: Gegenüber 2005 ist die Unterstützung von Atomenergie von 37 Prozent auf jetzt 44 Prozent gewachsen. 45 Prozent sprechen sich allerdings noch immer gegen Atomenergie aus.

     

    Oder hättest du lieber die Bild am Sonntag als Quelle? In einer BamS-Umfrage von 2007 (http://www.bild.de/BTO/news/2007/01/14/umfrage-atomausstieg/atom-ausstieg-umfrage.html) waren sogar 61% (EIN-UND-SECHZIG!!!) der Deutschen GEGEN den Atomausstieg.

     

     

    Also komm mir bloß nicht mit "bekannte einstellung des übergroßen teils der bevölkerung"! Denn anscheinend kennst du sie schon mal nicht! Oder kannst mit Zahlen nicht umgehen...

  • AH
    Andreas H.

    Hallo zusammen,

    durch den Artikel und das Foto sind mir einige Fragen in den Sinn gekommen?

     

    1) Wieso denken Aktivisten, dass sich irgendjemand für eine Aktion wie auf dem Foto interessiert?

     

    2) Wieso kann ein Castortransport solche Demonstantengruppen nicht umfahren... oder z.B. mit Hilfe eines Zeppelins überfliegen? Ich sag nur Cargolifter; die hatten die Idee schon, aber ohne Castor

     

    3) Wieso haben Vertreter der Regierung wegen dem "Krümmel-Skandal" keine Konsequenzen gezogen? Wieso wurde da in der Atomaufsicht nicht mal aufgeräumt?

     

    4) Wieso muss man vor Atomreaktoren eine solche Angst haben? Es gab bisher nur 2 Reaktorschmelzen:

    - eine in den USA (60er Jahjre?) ohne jegliche Folgen und ohne Austritt von Radioaktivität.

    - die andere war in Tchernobyl. Die Umstände wieso es dazu kam wurde zum Jahrestag genauer im Spiegel (oder war es der Stern?) dargestellt.

     

    5) Last but not least: Wieso können Menschen - oder besser gesagt Unternehmer - nicht verantwortungsbewusst mit dieser Technik umgehen, wenn sie schon wissen, dass sie verdammte-schei*e-nochmal gefählrich sein kann und ist?!?!?!

     

    So wie ich das sehe, hat die Atomkraft uns gute Dienste erwiesen, muss nun aber einer anderen zeitgemäßeren Technik (zumindest in den reichen Ländern) weichen...

    Und irgendwann in der Zukunft werden wir uns Gedanken über Fusionsreaktoren machen dürfen...

     

    Bis dann

  • V
    vic

    Würde mich interessieren, ob alle KernkraftgegnerInnen den Stromanbieter gewechselt haben.

    Das ist die größtmögliche Anti-AKW Bewegung.

    Denn wenn AKWs nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind, werden sie abgestellt.

    Strahlen-Dreck hinterlassen sie ohnehin mehr als genug.

  • H
    h.yurén

    die alpha-themen atomkraft und afghanistan spielen im wahlkampf kaum eine rolle. die regierenden wollen nicht, die opposition will auch nicht (fdp) oder wird von der medienmeute gemieden/geschnitten.

    es ist bekannt, dass eine sehr große mehrheit der brd-bevölkerung sowohl gegen die atomkraft als auch gegen den afghanistan-einsatz der bundeswehr ist. wenn es hierzulande so basisdemokratisch zuginge wie in der schweiz, würden die regierenden glatt zurückgepfiffen. durch einen volksentscheid.

    dass die bekannte einstellung des übergroßen teils der bevölkerung von den regierenden in berlin missachtet wird, ist eine demokratische glanzleistung.