Kolumne Konversation: Das Leben als Dauergespräch

Die Tücken der Technik: Mit mehreren Personen gleichzeitig zu telefonieren, bekommt mir nicht.

Moment mal", sage ich zu Hilde. Die liegt gerade bei ihren Eltern in Krefeld im Garten und rief an, um vom fabelhaften Wetter in unserer alten Heimat zu berichten. "Meine Mutter klopft an." So sieht das oft aus bei mir. Kaum telefoniere ich, bimmelt es schon auf der anderen Leitung. Doch kein Mitleid, manchmal ruft auch lange Zeit überhaupt niemand an, das halte ich auch aus.

Nur verwirrend finde ich es schon, dass man heutzutage mit zwei Menschen gleichzeitig telefonieren und zwischen den Gesprächen makeln kann. Meine telefonische Konversationskapazität wird dadurch komplett überfordert. Mehr als eine Stunde nämlich schaffe ich nicht. Mir fallen schon 40 Minuten schwer, nach etwa 50 Minuten am Telefon aber werde ich rappelig und möchte unbedingt auflegen. Manchmal lüge ich dann, sage, ich müsse endlich die Zwiebeln schneiden fürs Abendessen, zur Fahrradreparatur, bevor sie schließt, den Nachbarn an der Tür abpassen oder, die billigste aller einer Mutter zur Verfügung stehenden Ausreden, das Kind versorgen.

Meine Freundinnen wissen dann meistens Bescheid. "Ah, das Telefonohr?", fragen sie verständnisvoll. "Ja, leider," antworte ich, verabschiede mich und lege auf. Erleichtert. Schön, wenn man ein Wort für die eigene Zwanghaftigkeit gefunden hat.

Dabei befürchte ich nicht, vom schnurlosen Apparat verstrahlt zu werden, auch nerven mich die Menschen an der anderen Leitung keineswegs. Vielleicht bin ich langweilig, vielleicht nur wortkarg. Ich freue mich einfach nach einem langen Telefonat, all den wichtigen Dingen des Lebens beidhändig und mit voller Aufmerksamkeit nachgehen zu können.

Das Makeln macht alles nur schwieriger. "Natalie", sagt meine Mutter, während Hilde in der anderen Leitung wartet, "ich war vorhin im Küchenstudio, dort gab es eine wunderbare Pfanne im Angebot. Brauchst du eine neue? Du brauchst eine neue! Hier in Krefeld haben wir übrigens fantastisches Wetter. Wie sieht es bei euch in Berlin aus?" Auch bei uns scheint die Sonne, und eine Pfanne brauche ich wirklich nicht. "Mama", antworte ich also. "Ich weiß Bescheid über das Wetter in Krefeld. In diesem Moment nämlich telefoniere ich mit Hilde, und sie genießt den Sonnenschein bei euch. Kann ich dich später anrufen?" Ich wurde etwas ungeduldig, schließlich läuft meine innere Uhr mit. Wenn jetzt eine längere Diskussion über Pfannen folgt, kann ich nicht mehr entspannt mit Hilde - 34 Minuten unseres Telefonats sind schon um - über ihre Liebesprobleme reden. Das deutlich interessantere Thema.

"Brauchst du nicht", behauptet meine Mutter, aber ein wenig beleidigt hört sie sich schon an, so fernmündlich hinter Hilde anstehen zu müssen. "Sag mir einfach kurz, ob du eine Pfanne brauchst. Und frag Hilde, ob sie die nicht kurz bei uns abholen und mit nach Berlin bringen könnte." Ich legte auf. "Hilde?", frage ich, denn richtig sicher, dass der in die Warteschleife geschickte Gesprächspartner nach dem Makeln noch da ist, bin ich mir nie. Aber Hilde schwebt noch geduldig in der Leitung. "Wie geht es deiner Mutter?", möchte sie wissen. Acht Minuten verbringe ich nun damit, Hilde über den Gesundheitszustand meiner Eltern und den Familienstand meiner Schwester aufzuklären. In weiteren drei besprechen wir den sowieso unumgänglichen Pfannentransport. Erst dann wieder widmen wir uns Hildes Affären. Zu spät.

"Erzähl mir doch einfach davon, wenn du wieder in Berlin bist", schlage ich vor. "Ich muss nämlich noch weg." - "Telefonohr?" fragt Hilde. "Ja, leider."

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