Kolumne Männer: No Country for Old Men

Heute stehen Männer unter einem ähnlichen Druck, sich schön zu machen, wie Frauen. Warum will mir das niemand glauben?

Ich bin eitel. Das zuzugeben, fällt einem heterosexuellen Mann, der einigermaßen bei Verstand ist, nicht leicht. Denn männliche Eitelkeit gilt unter Frauen als extrem unsexy. Einen Kerl ohne Nasenhaarpracht und Mitesser nehmen die Damen zwar schon gern. Nur ansehen darf man es den Herren nicht, dass sie fürs ansehnliche Angesicht was tun müssen. Mithin riskiere ich durch obiges Eingeständnis, allein durchs Leben zu gehen und nicht von reumütig gewordenen Bälgern am Grabe beweint zu werden. Aber wer dankt einem diese Aufrichtigkeit? Kein Mensch. Nicht einmal Männer.

Stattdessen nötigen mich diese Typen zu Fürchterlichem. "Kannst du mir helfen?", fragte mich ein Freund am Telefon. Er brauchte einen O-Ton-Geber für eine Radioreportage. Es ging um Männer und Kosmetik. "Und was habe ich damit zu tun?", fragte ich. "Na ja." Hüstel. "Du achtest doch auf dein Äußeres."

Wie ich das hasse. "Auf sein Äußeres achten", das klingt genauso verkrampft wie "Umstandsmode" oder "Seniorenresidenz". Wer so was sagt, der glaubt, etwas Unschönes kaschieren zu müssen. In diesem Fall geht es um eine eigentlich simple Einsicht: Wer gut aussehen will, der tut das weniger für sich als für seine Umwelt. Er oder sie macht sich also vom Urteil seiner Mitmenschen abhängig. Das tut zwar so gut wie jeder, nur will daran niemand erinnert werden. Männer sollen schön autark wirken, in sich ruhend. Ohne ein gewisses Maß an Eitelkeit aber gibt es kein gutes Aussehen. Oder stellen Sie sich doch mal George Clooney vor, wie er sich gedankenverloren in der haarigen Nase popelt. Na? Danke, Euer Ehren, keine weiteren Fragen. Das alles hätte ich diesem Freund am Telefon sagen können, um am Ende genervt aufzulegen. Ich tat es nicht. Er hatte mir ein Bier versprochen.

Alles, was ich dafür tun musste, war, ihn im "Nivea Flagship Store" Unter den Linden zu treffen. In diesem Lädchen zeigt das Unternehmen, zu welchen Spitzenleistungen in Sachen Paste-auf-Körper-Schmieren es fähig ist. Ich sollte ihm ein paar knackige Zitate liefern. Zwischen Shampoo ("Strong Power") und Duschgel ("Cool Kick") fragte er mich: "Warum kaufen Sie hier ein?"

"Ich war noch nie in dieser Hölle. Du wolltest doch, dass …" - "Mann, das hatten wir doch besprochen", sagte mein Freund und schaltete das Aufnahmegerät auf Pause. "Du sagst was Pointiertes, und dann gibts Alkohol. Also nochmal …"

Ich schluckte mein letztes bisschen Menschenwürde hinunter und dachte ans Gratis-Bier. "Heute stehen auch Männer unter dem Druck, gut auszusehen. Um für anspruchsvolle Frauen attraktiv zu sein und um im Job irgendwie dynamischer zu erscheinen. Das mit der Dynamik ist zwar totaler Humbug, aber wer will sich diesem Spiel schon verweigern? Und dann noch diese albernen Werbesprüche: ,Für Männer, die auch in ihr Gesicht investieren'?" "Äh, gehts auch ein bisschen positiver?", fragte der Freund leise. "Ist doch so", sagte ich genervt. "Männer müssen etwas für ihr Aussehen tun, und anders als Frauen darf man ihnen diese Mühe nicht einmal ansehen. Aber wer will schon verzichten auf reumütig am Grabe weinende Bälger, die …"

"Danke, das wars schon", sagte der Freund und knipste sein Aufnahmegerät aus. "Das mit dem ,dynamisch wirken müssen' nehme ich." Mein Freund eilte ins Hörfunkstudio. Ich blieb allein zurück - von Freunden missverstanden und ums Gratis-Bier betrogen. Frustriert zog ich meine Stirn in Falten. Mimikfalten sind für Männer, die auch in ihr Gesicht investieren, schließlich kein Problem mehr.

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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