Landtagswahl: "Wir sind nicht pflegeleicht"
Der Südschleswigsche Wählerverband will nach dem 27. September in Kiel mitregieren. Auffälliges Interesse an der Minderheitenpartei zeigt neuerdings die CDU.
Es ist windig in Flensburg, und Wahlplakate sind sperrig: "Halt mal Silke!", bittet Anke Spoorendonk, Landtagsabgeordnete des SSW, ihren Parlamentskollegen Lars Harms, der nach dem flatternden Schild mit dem Konterfei von Silke Hinrichsen greift - sie kandidiert auf Platz drei für den Landtag. Die drei Spitzenleute des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) sind gekommen, um auf ein Problem hinzuweisen: Während alle anderen Parteien, ob Rentner, NPD oder Piraten, ihre Plakate an Stellwänden aufhängen dürfen, muss der SSW mit Laternenpfählen vorlieb nehmen. Die Stadt hat beschlossen, die schönen Werbeflächen den Parteien zu geben, die für die Bundestagswahl antreten - der SSW, politische Vertretung von Dänen und Friesen, kämpft nur um Landtagssitze.
Dieses Detail zeigt, was der SSW befürchtet hat: Die Bundestagswahl überschattet die zum Landtag. "Ich sehe bei den Großen zurzeit nur Events, zu denen Bundespolitiker eingeflogen werden", sagt Spoorendonk. Themen fielen hinten runter, "das ist schlecht für das Land". Noch vor einigen Monaten fürchtete sie, der SSW werde durch den Doppelwahlkampf Stimmen einbüßen - inzwischen wolle man "vier Prozent und vier Mandate", sagt Harms. Für den SSW, befreit von der Fünf-Prozent-Hürde, wäre das ein Riesenerfolg: Zurzeit sitzen zwei SSW-Leute im Landtag.
Egal, wie viele Abgeordnete die Partei stellt: Sie könnten entscheidend sein für die Regierungsbildung. 2005 war eine rot-grüne Minderheitenregierung mit Tolerierung durch den SSW gescheitert, diesmal könnte es klappen: "Ich finde Minderheitenregierungen weiterhin gut", sagt Spoorendonk. "Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass es in die politische Kultur in Deutschland nicht passt."
Die "Dänen"-Partei: Als SPD, Grüne und SSW im Frühjahr 2005 ein Bündnis planten, gab es bundesweite Proteste, gar Todesdrohungen - mancher befürchtete wohl "Dänen" in der deutschen Politik.
Die Anti-SSW-Kampagne heizten Spitzenleute der CDU an: Hessens Ministerpräsident Koch forderte, der SSW solle sich auf Minderheitenbelange beschränken. Auch Angela Merkel fand es "komisch", dass eine Minderheit die Politik des ganzen Landes bestimmen könnte.
Die rot-grüne Minderheitenregierung, die sich vom SSW tolerieren lassen wollte, scheiterte spektakulär: Heide Simonis (SPD) wurde im Landtag nicht zur Ministerpräsidentin gewählt. (est)
Der SSW will regieren und steht SPD wie CDU für Gespräche offen. Harms sieht in einem sozialdemokratisch geführten Bündnis die "erste Option", Spoorendonk meint: "Das müssen die Gespräche zeigen." Auffällig ist, wie offen die CDU mit der Minderheitenpartei liebäugelt: Fraktionschef Johann Wadephul nannte in einem Interview die Dänen-Option, auch sonst äußern CDU-Politiker eine Präferenz für den SSW. Er könnte nötige Stimmen bringen, wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht - und pflegeleichter sein als die Grünen.
"Wir sind nicht pflegeleicht", sagt Spoorendonk, "und stehen als reine Mehrheitsbeschaffer nicht zur Verfügung." Der SSW hat bereits Themen benannt, die nicht verhandelbar sind: Vorteile für den Norden des Landes, das Kerngebiet der Partei, klare Akzente in der Sozialpolitik von Tariftreue über Arbeitsmarktpolitik nach skandinavischem Vorbild bis Förderung von Beratung im sozialen Sektor. Und: Kein CO2-Endlager im Land. "Wir sind die einzige Partei", sagt Harms, "die das fordern kann, ohne auf bundespolitische Interessen Rücksicht nehmen zu müssen."
Egal in welcher Kombination: Im Falle einer Regierungsbeteiligung wolle man, sagt Spoorendonk selbstbewusst, "auf Augenhöhe verhandeln".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!