Nebulöser Schwerpunkt Integration

Die neue Bundesregierung betont, wie wichtig ihr Integrationspolitik ist. Doch im Koalitionsvertrag fehlt Konkretes

BERLIN taz ■ Die ersten Aussagen des künftigen Innenministers klangen engagiert. Die bessere Integration der Einwanderer werde „ein ganz großer Schwerpunkt“ der neuen Regierung sein, versprach Wolfgang Schäuble in einem Zeit-Interview. Unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen in Frankreich sparte der CDU-Politiker nicht mit (Selbst-)Kritik: Der Staat habe in den vergangenen 15 Jahren bei der Integration versagt. „Gemeinsam sollten wir ein Grundklima schaffen, in dem Fremdheit nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung empfunden wird.“ Doch der von Schäuble angeschlagene Ton findet sich im Koalitionsvertrag so nicht wieder.

In dem Pakt, der heute unterzeichnet wird, haben der künftige Innenminister und seine Verhandlungspartner das Thema „Migration steuern – Integration fördern“ in einem bedrohlichen Umfeld verortet. Die knapp drei Seiten sind unter die Überschrift „Sicherheit für die Bürger“ subsumiert, sie folgen auf Paragrafen über Terrorabwehr, Katastrophenschutz und die Rolle der Bundespolizei. Auch im Unterkapitel ist von den gestiegenen Sicherheitsbedürfnissen Deutschlands die Rede, von einer Warndatei gegen Visamissbrauch und Hindernissen bei der Abschiebung von Straftätern, die es zu beseitigen gelte.

Die Ausführungen zur Integrationspolitik, die laut Vertrag ein Schwerpunkt der Bundesregierung werden soll, sind knapp und unkonkret. Das Zuwanderungsgesetz soll ausgewertet, ein kommunales Wahlrecht für Ausländer, die keine EU-Bürger sind, geprüft werden. Inhaltlich legen sich Union und SPD kaum fest. Immerhin will die große Koalition „einen intensiven Dialog“ mit dem Islam führen und junge Muslime sozial und beruflich besser integrieren. Wie dies geschehen soll, bleibt offen. Auch in den Bereichen Bildung und Arbeit ist zwar allgemein von Chancengleichheit die Rede, Migrantenkinder und ihre speziellen Probleme aber kommen nicht vor.

Die künftige Bundesregierung spricht sich für eine europaweite Flüchtlingspolitik aus, der Zugang von Nicht-EU-Bürgern auf den Arbeitsmarkt soll aber national geregelt werden. Auch die EU-Gleichbehandlungsrichtlinien sollen in deutsches Recht umgesetzt werden, dazu ist die Bundesrepublik allerdings schlicht verpflichtet. Es wird also ein Antidiskriminierungsgesetz geben, das die Union in der vergangenen Legislaturperiode noch verhindert hat. Wie es ausgestaltet werden soll, bleibt unklar. „Der Vertrag enthält im Wesentlichen nur eine Nennung von Themen und Politikbereichen, gibt aber keine Richtung für Entscheidungen vor“, kritisiert Marieluise Beck, Grünen-Politikerin und noch amtierende Integrationsbeauftragte der Bundesregierung.

Konkret wird der Koalitionsvertrag in der Integrationspolitik nur bei zwei Aspekten: Bei der Einbürgerung müssen Einwanderer sich künftig zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Und Zwangsverheiratungen sollen als eigener Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden.

SABINE AM ORDE