SPD-Wahlkampf in Bayern: Die 2-Tassen-Gesellschaft

Florian Pronold ist Vorsitzender der Bayern-SPD und soll sie wieder zu Stolz und Stärke führen. Doch statt Bierzelte kann er nur dunkle Hinterzimmer füllen. Ein Lokaltermin.

Bayerns Sozialdemokraten fehlt das Spitzenpersonal. "Alle unsere Koryphäen treten ab", so Pronold. : dpa

REGENSBURG taz | Niemand stellt das Dudeln ab. Die bayerische SPD will sich an diesem Morgen im Regensburger Kolpinghaus stark und angriffslustig zeigen. Aber aus einem Lautsprecher rieselt wie Schlafsand seichte Fahrstuhlmusik. Vor braungrau vertäfelten Hinterzimmerwänden sitzen drei Journalisten, drei SPD-Helfer, zwei SPD-Kandidaten, ein SPD-Bürgermeister und ein SPD-Landesvorsitzender.

Die Sozialdemokraten wollen aufrütteln, die Bürger warnen, vor der unsozialen Finanzpolitik, die ihnen droht, sollten sie in zweieinhalb Wochen nicht SPD, sondern etwa die CSU oder die FDP wählen. "Aktionstag der SPD zur 2-Tassen-Gesellschaft von Schwarz-Gelb", steht auf der Einladung. Was das bedeuten soll? Die SPDler schauen betroffen. Der Titel spiele auf ein neues Wahlkampfplakat an, mit zwei Tassen darauf, sagt einer. Man habe nur leider vergessen, das Plakat mitzubringen.

So muss Florian Pronold, der Landeschef, die Stimmung heben. Er spricht in Sätzen, die Bierzelte füllen könnten. "Wenn im Herbst die neue Ausgabe des Duden erscheint", sagt er, "und man schlägt unter Lügner nach, dann wird man dort die Steigerungsform finden: Pinocchio, Münchhausen, Seehofer." Die kernigen Sprüche verhallen im Hinterzimmer, in der Dudel-Musik. Wieder einmal wirkt Bayerns SPD weder kräftig noch siegessicher, sondern unbeholfen und trist.

Wenn man die Verunsicherung der SPD verstehen will, lohnt sich eine Reise nach Bayern. Nirgendwo sonst haben sich die Sozialdemokraten so ans Verlieren gewöhnt. 52 Jahre in der Landtagsopposition lassen selbst die stolzeste Volkspartei müde werden. In manchen Regionen scheint die SPD kaum noch vorhanden. In Garmisch-Partenkirchen holte sie bei der Europawahl 6,5 Prozent. Das ist die Ausgangslage, von der aus Florian Pronold die Bayern-SPD wieder zu Stolz und Stärke führen soll. Seit zwei Monaten ist der 36-jährige Bundestagsabgeordnete neuer Landesvorsitzender der SPD.

"Es gibt keine verlorenen Regionen", sagt Pronold beim Treffen in einer Münchner Bar, wenige Meter neben dem Landtag. Er trägt Hemd und Jeans, und wirkt entspannt. Die SPD liege laut Umfragen in Bayern nur noch bei historisch desaströsen 14 Prozent, hat die Münchner Abendzeitung vor wenigen Tagen getitelt. Pronold erklärt: "Umfragen habe ich mir abgewöhnt, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen." Er möchte bei der Wahl den Abstand zwischen dem Ergebnis der traditionell schwächeren bayerischen SPD und dem der Bundes-SPD verringern. Die bayerische SPD sei motiviert und habe viel Potenzial, meint er unerschrocken. "Wir sind aus härterem Holz geschnitzt als viele andere."

Was klingt wie aufgesetzte Durchhalteparolen, speist sich bei Pronold aus langer Erfahrung. Nichts bekam er in seiner Politikerkarriere geschenkt. Als er als Schüler im niederbayerischen Deggendorf der Partei beitrat, musste er erst einen Juso-Ortsverband gründen. 2002 kam er erst in den Bundestag, nachdem er den etablierten SPD-Abgeordneten in seinem Bezirk aus dem Rennen geworfen hatte.

"Es fehlt nicht an Analysen, wo unsere Probleme liegen. Die gibt es schon seit den 80er-Jahren", sagt Pronold. Auf den Dörfern tue man sich schwer gegen die CSU, in den Städten komme man in der Lebenswelt vieler potenzieller SPD-Wähler nicht mehr vor. Das möchte Pronold ändern. Er bat die SPD-Basis schon im Juliauf Dialogkonferenzen um Anregungen. Das ehrgeizige Ziel: Die "Erneuerung der Bayern-SPD". Pronold möchte den Auftritt der Partei professioneller gestalten. Doch für die ersehnten Wahlerfolge wird das kaum reichen. Bayerns Sozialdemokraten fehlt das Spitzenpersonal.

"Alle unsere Koryphäen treten ab", stöhnt Pronold. Bislang konnte die Bayern-SPD auf Bundesebene profilierte Politiker wie Otto Schily, die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt oder den kantigen früheren Landeschef Ludwig Stiegler aufweisen. Die sind nun in Rente. Zum Schattenkabinett von Frank-Walter Steinmeier gehört kein einziger Bayer. Es gebe schon gute neue Leute, meint Pronold, etwa den Staatsminister im Außenministerium, Günther Gloser.

Doch in Bayern kann derzeit selbst der SPD-Landeschef in der Innenstadt stehen, ohne dass ihn jemand erkennt. Nach dem Auftritt im Hinterzimmer macht Florian Pronold noch etwas Wahlkampf in der Fußgängerzone von Regensburg. Die meisten Menschen eilen einfach vorbei. Die anderen lassen sich von ihm, wie von einem Juso-Helfer wortlos Postkarten in die Hand drücken. Darauf ist immerhin ein Politikergesicht, das sie kennen: Frank-Walter Steinmeier.

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