Anstößige Statuen, zerfließende Erinnerung

SPEICHER XI 15 Kilo Butter und 1,7 Tonnen Sandstein: Die HfK erwies sich im Rahmen ihrer Hochschultage als spannender Debattenort. Die zwischenzeitliche Komplett-Räumung wirkte dabei nur befeuernd

Ausgelöst durch die Gorsemann-Statue setzen sich Studierende mit dessen Werk auseinander.

■ Filippo Barraccani thematisiert Gorsemanns „Wisent“ im Rhodo-Park. Eine Postkarte des Eiffelturms vor dem Auge des „germanischen Urviehs“ erinnert an die Goldmedaille, die es 1937 auf der Pariser Weltausstellung errang.

■ Von Helene Maus stammt das kluge Konzept einer Klingelschild-Installation: Eine Verarbeitung der Widmungs-Schichten, mit denen das Kriegerdenkmal auf der Altmannhöhe ideologisch immer wieder neu motiviert wurde.  HB

15 Kilo Butter sind ein Stoff, aus dem man viel machen kann. Eine Studentin hat aus der dicken gelben Masse die Stadtmusikanten geformt – und anschließend unter einen Heizstrahler gestellt. „Das ist eine Metapher für die Finanzlage des Landes Bremen“, heißt es dazu. Sonntagabend, zum Abschluss der Hochschultage, hat Bremen einige Ähnlichkeit mit der EU: Es ertrinkt im Buttersee. Die Studentin plädiert dagegen für nachhaltigeres Wirtschaften und recycelt ihre Stadtmusikanten-Reste als Meisenknödel.

Als fast ebenso unbeständig wie die Butter-Skulptur erwies sich das Schicksal der aus 1,7 Tonnen Sandstein bestehenden Gorsemann-Statue einige Gänge weiter, die eigens für das Wochenende her gebracht worden war. Doch das Kriegerwitwen-Denkmal des früheren Rektors der Nordischen Kunsthochschule musste noch am Freitag eine Krisensitzung im Rektorat überstehen. Auf der wurde zunächst der abermalige Abtransport der umstrittenen Statue gefordert. Ernst Gorsemanns „Mutter mit Kindern“ hatte bereits Anfang des Semesters ein vorzeitig abgebrochenes Gastspiel in der Hochschule für Künste (HfK). Sie sollte an die 1934 erfolgte Gründung der Hochschule am Wandrahm erinnern aus der – mit zwei Zwischenstufen – die heutige HfK entstand. Nach heftigen Protesten seitens einiger Professoren, Zerstörungsdrohungen inklusive, wurde das Werk zurück ins Depot des Marcks-Hauses verfrachtet.

„Das Problem war“, sagt Prodekan Jean-François Guiton, dass es keine Erklärung dafür gegeben habe, warum auf einmal Nazi-Kunst in der HfK auftauchte. Selbstverständlich thematisiere er in seinen Seminaren beispielsweise die Ästhetik von Leni Riefenstahl, „aber so eine potthässliche Statue muss man nicht ständig vor der Nase haben“. Auch nicht als Stolperstein, um sich endlich mit der lange verdrängten Gründungsgeschichte des eigenen Hauses zu beschäftigen? Diese Auseinandersetzung sei richtig, sagt Guiton, aus seiner Sicht aber eher ein „Nebenschauplatz“ im Vergleich zu den „brisanten Auseinandersetzungen in der europäischen Gesellschaft“ um die Macht der Finanzen und die Kommerzialisierung von Kunst. Auch deswegen halte er eine etwaige dauerhafte Platzierung des anstößigen Gorsemann-Werkes in der HfK für unangemessen.

Die Bremer haben die „Mutter“ dafür permanent vor Augen: Gorsemann stellte 1963 eine nur leicht veränderte Nachbildung seines im Krieg umgeworfenen Werkes auf die Altmannhöhe hinter der Kunsthalle, wo sie heute noch steht. „Das Leben des deutschen Volkes ist unvergänglich, solange Mütter als der ewige Born des Lebens nicht nachstehen in der Erfüllung des Vermächtnisses der Gefallenen“, schrieb die Bremer Zeitung anlässlich der Ersteinweihung 1936. Und, so fügt sie mit Verweis auf die dazugehörige Knabengestalt hinzu, „solange die deutsche Jugend so tapfer und klar blickt“.

Für zahlreiche Bremer ergab sich auf den gut besuchten Hochschultagen erstmals die Gelegenheit, sich mit dem ideologischen Kontext der Altmannhöhe und der Existenz der Nordischen Kunsthochschule auseinanderzusetzen. Als noch aufregender erwies sich allerdings ein Waffeleisen: Dessen Rauchentwicklung löste flächendeckenden Feueralarm aus. Kaum hatte des Rektors Pudel als letztes zu evakuierendes Lebewesen das Gebäude verlassen, war die Feuerwehr mit drei Zügen vor Ort und sicherte die verbrannte Waffel. Mit seinen Schulden und der Geschichte wird sich Bremen noch weit länger auseinandersetzen müssen.

Henning Bleyl