Tokio lässt psychisch Kranke hinrichten: Aus der Psychiatrie an den Galgen

Amnesty International wirft der Regierung in Tokio vor, die psychischen Krankheiten von Todeskandidaten zu missachten. Haftbedingungen in Todeszellen trieben Insassen in den Wahnsinn.

Die neue Regierungskoalition in Japan. Die demokratische Partei - Wahlsiegerin - will eine "nationale Debatte" über die Todesstrafe starten. Bild: reuters

TOKIO/BERLIN afp/taz | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International prangert "grausame, unmenschliche und erniedrigende Zustände" in den Todeszellen japanischer Gefängnisse an. Die gegenwärtig 102 zum Tode verurteilten Gefangenen lebten in ständiger Angst, jederzeit gehenkt werden zu können, heißt es in in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. Mehrere von ihnen treibe das in den Wahnsinn.

Internationale Konventionen würden jedoch die Hinrichtung psychisch Kranker verbieten. Diejenigen, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft hätten, müssten jeden Tag damit rechnen, dass das Todesurteil in wenigen Stunden vollstreckt werde. "Einige leben so Jahr für Jahr, manchmal Jahrzehnte", heißt es in dem Bericht.

Die Gefangenen im Todestrakt lebten demnach in nahezu vollständiger Isolation. "Abgesehen vom Gang zur Toilette ist es den Gefangenen nicht gestattet, sich in der Zelle zu bewegen", schreibt Amnesty. Stattdessen müssten sie die Zeit im Sitzen verbringen. Sie dürfen nicht fernsehen und keinen Hobbys nachgehen.

Nur direkte Angehörige können die Gefangenen besuchen. Jeder vierte Todeskandidat bekommt gar keinen Besuch. Allein auf knapp sieben Quadratmeter eingepfercht, das Licht niemals ausgeschaltet, fast die Hälfte der Zellen ohne Tageslicht, ertragen viele Gefangene ihre Isolation nur mit Hilfe von Schlaftabletten. Wer aufbegehrt, wird tagelang gefesselt und muss ohne Hände wie ein Hund aus dem Napf essen.

Amnesty kritisiert, dass Japans Behörden kaum über die psychische Verfassung der zum Tode Verurteilten informierten. Zugleich bedauert die Organisation, dass ihrem eigenen Wunsch nach Besuchen bei den Gefangenen nicht entsprochen werde.

Nach einem 15-monatigen Moratorium werden in Japan seit Dezember 2006 wieder Todesurteile vollstreckt. Seit 1945 wurden weit über 650 Menschen am Galgen hingerichtet. Von den jetzigen Todeskandidaten kämpft mehr als die Hälfte für eine Revision ihrer Verfahren.

Oft erfolgen die Hinrichtungen bewusst zu Zeiten, in denen eine reduzierte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erwarten ist. Die Demokratische Partei Japans, die nach ihrem Wahlsieg im August die künftige Regierung stellen wird, hat versprochen, eine "nationale Debatte" über die Todesstrafe in Gang zu bringen.

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