: „Ich bin kühn“
HUMOR „… und so fraueninteressiert“, sagt Anke Engelke. Deswegen mache sie diese auch „zu Proleten“. Ein Gespräch mit der Entertainerin über den ESC und Fleischgelüste
■ Geboren: am 21. Dezember 1965 in Montreal, Kanada, lebt bei Köln.
■ Beruf: Comedien, Entertainerin, Musikerin, Moderatorin, Synchronsprecherin. ■ Berühmtheit: seit 1996, als sie (mit Bastian Pastewka u. a.) auf Sat.1 in der Sketchsendung „Die Wochenshow“ auftrat. Moderierte 2011 den Eurovision Song Contest in Düsseldorf.
■ Politsprech: 2012, bei der Punktevergabe zum ESC aus Baku, sagte sie einem Millionenpublikum: „Heute Nacht konnte ja niemand für sein eigenes Land abstimmen. Aber es ist gut, abzustimmen, und es ist gut, eine Wahl zu haben. Viel Glück auf eurer Reise, Aserbaidschan. Europa schaut auf euch.“
■ Familie: zum zweiten Mal verheiratet, drei Kinder.
■ Ehre: 1999 der Adolf-Grimme-Preis.
INTERVIEW JAN FEDDERSEN*
Eigentlich hat sie keine Zeit. Hat sie dann trotz der Ansage. Ruft mittags an, gerade in Berlin angekommen. Wäre auch der Abend möglich? Ja. „Ist es Ihnen nicht zu spät?“, fragt Anke Engelke am Telefon. „Okay, kommen Sie doch ins Hotel, ich lade Sie auf eine Suppe ein – und dann sprechen wir.“ Sie wird die Berlinale-Preisverleihung moderieren, macht Promo für neue Filmprojekte, tourt in diesen Tagen auch mit „Fred Kellner und die famosen Soulsisters feat. Anke Engelke“. Am Donnerstag moderiert sie in Hannover „Unser Song für Malmö“, die deutsche Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest. Ein volles Programm. Wir sprechen übers Essen.
taz: Frau Engelke, Sie essen vegetarisch?
Anke Engelke: Ja, momentan. Mein erstes Mal als Vegetarierin war als Teenager, 20 Jahre lang, dann habe ich sieben Jahre Pause gemacht.
Warum?
Bei meiner vorletzten Schwangerschaft, da war ich Vegetarierin und hab plötzlich so Fleischgelüste gehabt. Wir waren im Skiurlaub. Mein Mann und mein ältester Sohn hatten sich im Tal immer so kleine Würstchen gekauft. Ich dachte: „Oh Gott, ich brauche das jetzt auch.“
Abtrünnig geworden?
Nein, ich denke aber, dass der Körper immer signalisiert, was er braucht. Und damals war mir so, als ob vielleicht das Kind in mir gerufen hat: „Mir fehlt irgendwas in deiner Ernährung.“ Dann habe ich sieben Jahre lang exzessiv Fleisch gegessen.
Wer heute Lust auf Fleisch zugibt, gilt ja fast als aussätzig.
Früher war das alles anders. Wenn wir mit der Band unterwegs waren, ist lange her, 25 Jahre, da spielten wir irgendwo auf dem Dorf – und die Menschen wussten nicht mal, was „vegetarisch“ ist. Da kam dann: „Äh, ja, Gulaschsuppe“, da hab ich gesagt: „Nee, nee, kein Fleisch.“ – „Ja, dann nehmen wir das Fleisch raus.“ – „Nee, vegetarisch, gar nichts mit Fleisch.“ – „Ach so, die Eiskarte!“ Und inzwischen ist das ja das Normalste, oder?
Normal? Ein Trend?
Natürlich auch Trend und alles. Jetzt ist das Vegetarische bei mir eher eine politische Entscheidung. Als ich das erste Mal Vegetarierin wurde, war es, weil ich übergewichtig und unglücklich war und meine Ernährung umstellen wollte.
Wir sprechen von den Achtzigern?
Jawoll. Und damals kamen halt die ersten Berichte über Tiertransporte. Das war eine schöne Initiation auch in ein politisches Denken. Mit den ersten Auseinandersetzungen über Ernährung und die Verantwortung, die man trägt. Da war ja von einem ökologischen Footprint noch gar nicht die Rede oder von Nachhaltigkeit, sondern da ging es dann um die Grausamkeit und um die Absurdität von Masttierhaltung.
Und heute?
Ist das eine andere Nummer, eine andere Entscheidung. Ich bin ja so ein bisschen missionarisch, als öffentliche Person hat man ein bisschen Verantwortung.
Wie werden Sie der gerecht?
Ich mach viel Zeug für Kinder und Jugendliche, und wenn die in einem Interview lesen, die Anke ist Vegetarierin, dann kann daraus ja vielleicht ein gutes Gespräch werden zwischen Kindern und Eltern.
Sie kommen ja aus der Pädagogik.
Ja, vielleicht ist das Wort „missionarisch“ ein bisschen zu hart. Ich wollte ja Lehrerin werden. Heute mache ich viele Dinge, die zwar humorvoll, aber doch recht zielgerichtet sind, was so Kinder und junge Menschen angeht.
Sie machen in der Bonner Bundeskunsthalle auch Führungen für Kinder durch die Sammlungen. Warum?
Um ihnen unangestrengt, ohne Zeigefinger, Kunst zu zeigen. Sie dafür zu interessieren. Bislang immer unter der Bedingung, dass ich mit dem Künstler vorher einmal durch die Ausstellung gehen darf, damit ich den Kindern anschließend was erzählen kann von dem Menschen.
Und was?
Etwa: „Hört mal, Lüpertz, boah, der riecht gut oder hat ganz viele Ringe an den Fingern und der geht so komisch und so. Oder Baselitz oder wer auch immer, das sind ja alles Typen. Die muss ich denen irgendwie näherbringen, sonst können die ja mit der Kunst nichts anfangen. Das hat immer was Humoreskes – ich versuche, ihnen etwas mitzugeben.
Lust? Neugier?
Mut! Demut auch, ich steh mit denen auch manchmal davor und sage: „Ja wenn uns jetzt nichts zu sagen einfällt, dann lasst uns einfach davorstehen.“
Frau Engelke, gibt es auch Tage, an denen Sie nicht arbeiten?
Ja, und da passiert dann nix. Einfach nur Hausfrau und Mutter. Find ich auch super. Aber es passiert immer was, ich liebe die Vielseitigkeit dessen, was ich so alles machen darf. Aber die Familie ist einfach die Nummer eins. Nach Hause kommen und tanken. Aber ich bin Hauptverdiener in der Familie, also muss ich manchmal halt verreisen. Irgendwie kriegen wir das hin.
Sie waren 2011 in Düsseldorf beim 56. Eurovision Song Contest die umjubelte Moderatorin, und nun werden Sie die Vorentscheidung zum ESC in Hannover, wenn man so will, dirigieren. Interessiert Sie dieser Contest eigentlich wirklich?
Ich bin auch Fan, ja. Aber kein wandelndes Lexikon …
… so wie Stefan Raab, der noch nachrangige Platzierungen aus den Siebzigern weiß?
… nein, aber mich flasht das Event schon. Am liebsten allein, mit Listen und so. Und mit meiner Schwester und ein paar Freunden dauernd simsen und die Top Five austauschen. Eigentlich möchte ich dann meine Ruhe, keiner soll mir dazwischenlabern, ich möchte das genießen.
Dass Sie in Hannover nun die Show moderieren werden, verdankt sich auch einer Fan-Initiative im Internet.
Das fand ich eher unheimlich. Es gibt die guten Initiativen, aber vor Düsseldorf 2011, da gab es doch so eine Stimmung im Netz und in den Medien, Stefan Raab und mich eher abzulehnen. Heute scheint es so, als ob es immer eindeutig war, mich neben Judith Rakers und Stefan Raab zu betrauen. War aber nicht so. Die Diskussionen im Netz können freundlich zu einem sein, aber auch sehr, sehr unfreundlich.
Wann war das beispielsweise?
Als ich die Synchronrolle bei den „Simpsons“ übernommen habe. „Anke muss weg“, hieß es. Und dass Elisabeth Volkmann wieder zurückkommen soll. Wussten die nicht, dass diese wunderbare Kollegin gestorben war? Das war hart, das aushalten zu müssen.
Und war das auch so, als Ihre LateNight Show nicht erfolgreich war und 2004 abgesetzt wurde?
Darauf habe ich schon so oft geantwortet, es wird einfach nicht anders wahr als: Das hat mich unglaublich belastet. Für meine Leute, die für die Show damals alles gegeben haben und denen ich versprochen hatte, dass sie jetzt für einige Jahre einen Job haben. Wenn ich jetzt daran denke, wird es mir auch wieder ein bisschen unangenehm. Ist nicht schön, ist total doof, wenn man so im Zentrum steht.
Und lieber ist Ihnen?
„Ladykracher“ ist meins, weil es ein Ensembleding ist. Und bei Moderationen präsentiere ich nur etwas, da fühle ich mich extrem wohl. Das mag ein bisschen feige sein, gibt mir aber auch die Freiheit, die Distanz zu haben, die mich ein bisschen kritisch bleiben lässt und mutig und frech und vielleicht wach und ein bisschen objektiver.
Und jetzt die alte Frage: Warum gibt es weniger weibliche Comedians als männliche?
Ich weiß es einfach nicht, keine Ahnung. Vielleicht gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen in diesem Fach.
Und die könnten welche sein?
Wer worüber lacht, weiß ich nicht. Aber dass Frauen andere Filter haben als Männer. Dann kann ich ja mal ganz kühn sein und sagen, dass Frauen den Filter haben und männliche Komiker, die da auf der Bühne stehen, nicht unbedingt. Die Frauen überlegen: Wen verletze ich mit diesem Witz? Das heißt nicht, dass sie den Witz nicht machen. Die Überlegung kann ja sein: Puh, das geht auf Kosten von, ja dem und dem, tja, dann mach ich’s. Bei männlichen Komikern geht es um den Witz, die Pointe, den Lacher.
Darf Ihr Humor auch sexistisch sein?
Ich weiß nicht, ob ich auch sexistisch bin, ob mein Humor sexistisch ist, ich bin so fraueninteressiert. Doch ich drehe das gern um und mache halt gern die Frauen dann zu den Proleten oder überzeichne ihre unterdrückte Haltung oder zeige ihre Schwächen und werde dann besonders leise. Ich weiß nicht, ob das dann auch diese Konnotation von „ficken“ hat oder so. Woody Allen sagte: „Let’s check definitions.“ Wir müssen dann noch mal definieren: Was ist sexistisch?
Wissen Sie es?
Vielleicht müssen wir mit so einem profanen Begriff arbeiten wie „beleidigen“. Wer fühlt sich durch wen in welcher Situation beleidigt? Ein überspitzter Kommentar über eine Frau muss erlaubt sein, darauf können wir uns gern einigen. Ich möchte auch bitte, wenn ich eine Frau sehe, die ein Dekolleté zeigt und einen kurzen Rock trägt, ihr hinterhergucken können. Ich sage ja auch manchmal zu Frauen …
… zu Männern auch?
Nein, aber zu Frauen, und ich bin heterosexuell, auch mal: Boah, die Hose sitzt Ia. Das könnte die andere auch missverstehen. Jedenfalls nehme ich mir das Recht raus, weil ich mir dann so denke, tja, vielleicht tut das auch gut. Finde das doch auch schön, wenn zu mir jemand das sagt.
*Jan Feddersen, taz-Redakteur, bloggt auf Eurovision.de des NDR zum Eurovision Song Contest