Auf der Jagd nach der eigenen Vergangenheit

USA Fieberhaft sucht die Polizei von Los Angeles einen ehemaligen Polizisten auf Rachefeldzug

„Ich werde alle in LAPD-Uniformen mit Krieg überziehen“

CHRISTOPHER JORDAN DORNER

BERLIN taz | Es ist das höchste Kopfgeld, dass in Los Angeles jemals für die Ergreifung eines Gesuchten ausgesetzt wurde. Eine Million US-Dollar soll derjenige erhalten, auf dessen Hinweis Christopher Jordan Dorner gefasst wird. Dorner, ein ehemaliger Polizist, steht unter Verdacht, seit vergangener Woche bislang drei Menschen umgebracht und zwei weitere verletzt zu haben.

Ein Ende der Mordserie ist nicht abzusehen – das hat Dorner selbst in einem Manifest auf seiner Facebook-Seite erklärt. Darin bedroht er alle Mitarbeiter des Los Angeles Police Department (LAPD) und ihre Familien mit dem Tod. „Ich werde alle in LAPD-Uniformen mit unkonventioneller und asymmetrischer Kriegführung überziehen, egal ob sie im Dienst sind oder nicht“, schreibt Dorner da und droht, er werde „jede einzelne Fähigkeit im Umgang mit Kleinwaffen, Explosivstoffen, Munition und Überlebenstraining nutzen, die mir beigebracht wurde.“

Dorners Rachefeldzug hat seinen Ursprung im Jahr 2007. Damals wurde der Polizist Dorner nach eigener Aussage Zeuge, wie eine Kollegin einen offensichtlich geistig zurückgebliebenen, bereits mit Handschellen gefesselten Mann mehrfach in die Hüfte und ins Gesicht getreten habe. Dorner berichtete seinen Vorgesetzten über die Kollegin, doch seine Beschwerde wurde niedergeschlagen. Dorner ging durch die behördlichen Instanzen, doch schlussendlich wurde nicht die Kollegin, sondern er selbst aus dem Polizeidienst entlassen – unehrenhaft, wegen falscher Anklagen. Mehrere Kollegen hatten über ihn ausgesagt, er sei für Mobbing gegen andere Mitarbeiter bekannt.

Bei einem weiteren Zwischenfall in einem Mannschaftswagen sei Dorner einem Kollegen an den Kragen gegangen, nachdem dieser mehrfach das Wort „Nigger“ gebraucht habe, gibt Dorner zu Protokoll. Doch davon wollten später die anderen anwesenden Polizisten nichts gehört haben.

Jetzt ist Dorner wütend. Die Polizei von Los Angeles habe sein Leben und seinen Ruf zerstört, schreibt er, und nunmehr sei der Angriff auf Polizisten und ihre Familien die einzige Chance, die ihm bleibe. Wenn die Wahrheit ans Licht komme, werde das Morden aufhören.

Tatsächlich hat Polizeichef Charlie Beck am Sonntag angekündigt, die Umstände von Dorners Entlassung und seine damaligen Vorwürfe komplett neu untersuchen zu lassen. Dabei, so Beck, gehe es nicht darum, „einen Mörder zu beschwichtigen. Ich tue das, um der Öffentlichkeit zu versichern, dass ihre Polizei in allem, was wir tun, fair und transparent ist.“

Tatsächlich hat die Polizei von Los Angeles einiges zu verlieren. In seinem Manifest spricht Dorner davon, dass sich seit den Zeiten von Rodney King in der Polizei nichts geändert habe – sie sei noch genauso rassistisch wie zuvor. Der Schwarze Rodney King war 1991 von Polizisten nach einer einfachen Geschwindigkeitsübertretung massiv misshandelt worden. Die Polizisten wurden 1992 freigesprochen – anschließend brachen in Los Angeles gewalttätige Unruhen aus, in deren Verlauf mindestens 53 Menschen getötet und Tausende verletzt wurden.

„Ich bin mir der Schattenseiten der Vergangenheit des LAPD bewusst, und eine meiner größten Sorgen ist es, dass sie durch die Rassismusvorwürfe Dorners wiederauferstehen könnten“, sagte Polizeichef Beck.

Vorerst aber muss er aufpassen, dass bei der Jagd nach Dorner nicht weitere Fehler passieren. Schon zweimal schossen Polizisten auf der Suche nach Dorner auf Unbeteiligte, weil diese in Fahrzeugen unterwegs waren, die dem von Dorner ähnelten. Dorners eigener Wagen wurde am Donnerstag ausgebrannt aufgefunden. Der Bürgermeister von Los Angeles, Antonio Villaraigosa, sagte, man werde alles tun, um Dorner zu fassen.

BERND PICKERT