piwik no script img

Kommentar EU-AbstimmungFinanzkrise kippt Referendum

Kommentar von Daniela Weingärtner

Die Wirtschaftsliberalen haben den Kampf um die EU gewonnen. Eine neue Chance, Europa demokratischer und sozialer auszugestalten, wird es in den kommenden zwanzig Jahren nicht geben.

D ie Wirtschaftsliberalen haben den Kampf um Europa gewonnen. Das ist die bittere Bilanz nach dem zweiten Referendum in Irland. Als mit der EU-Verfassung mehr politische Teilhabe, Transparenz, soziale Solidarität zur Abstimmung standen, haben die Bürger in Frankreich, den Niederlanden und Irland Nein gesagt. Als die Wirtschaftskrise Binnenmarkt und Euro ins Zentrum der Überlegungen rückte und sich Irlands Wirtschaftsbosse auf die Ja-Seite schlugen, haben die Iren es sich anders überlegt.

Damit haben alle verloren, die seit dem Verfassungskonvent vor acht Jahren von einem demokratischeren Europa träumen. Die Befürworter, die "Freunde der Verfassung", die in Luxemburg und Spanien für ein Ja bei den Abstimmungen sorgten, haben das Nachsehen. Die Strategen in der EU-Kommission, die glauben, niedrige Handygebühren, ohrenschonende MP3-Player und ein stabiler Euro seien das stärkste Argument für Europa, haben Recht behalten.

Selbst wenn es gelingt, den tschechischen Betonkopf Václav Klaus auszubremsen und seine Unterschrift unter den Vertrag zu erzwingen, selbst wenn bis dahin nicht eine neue konservative Regierung in Großbritannien eine weitere Volksabstimmung inszeniert - der neue Vertrag wird den Makel seiner Entstehung nie mehr los. Die Völker, die Nein sagten, wurden beim zweiten Anlauf entweder nicht mehr gefragt oder mit der Drohung erpresst, in wirtschaftlich harten Zeiten marginalisiert zu werden.

Es ist müßig darüber nachzudenken, wie es beim nächsten Mal besser laufen könnte, mit einem gleichzeitigen Referendum in allen EU-Ländern zum Beispiel. Eine neue Chance, Europa demokratischer und sozialer auszugestalten, wird es in den kommenden zwanzig Jahren nicht geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • E
    emilohnehupe

    Irland hat durchaus das Recht Nein zu sagen. Es sollte dann aber die Konsequenzen ziehen und aus der EU austreten.

    Ein Staatsbankrott wäre in diesem Fall unvermeidlich. Wenn ich mir die "hehren" Ziele der EU-Gegner ansehe (keine Abtreibung selbst bei Vergewaltigung) und die die Verteidiger des irischen Nein (Rupert Murdoch), sehe ich in diesen Gestalten keine Vertreter eines sozialen und demokratischen Europas.